(Motorsport-Total.com) - Seinen ersten Sieg in Kanada musste sich Weltmeister Max Verstappen hart erarbeiten. Der Niederländer galt vor dem Rennen als großer Favorit auf Platz eins, musste diesen aber in der Schlussphase gegen Carlos Sainz verteidigen, der 16 Runden lang im DRS hing und auf jeden Fehler Verstappens lauerte. Doch der ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und feierte seinen sechsten Saisonsieg.
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Max Verstappen hatte Carlos Sainz die ganze Zeit im Heck hängen Zoom
"Es war ein schwieriges Rennen. Ich hatte erwartet, etwas mehr Pace zu haben, aber uns schien gegenüber Carlos etwas zu fehlen", sagt Verstappen nach dem Rennen. Er hatte sich nach dem Start absetzen können, fand sich aber nach seinem zweiten Boxenstopp hinter Sainz wieder, der nur einmal an die Box kommen wollte.
"Ich war mir nicht sicher, ob ich die Lücke komplett hätte schließen können", gibt Verstappen zu, doch ein von Yuki Tsunoda ausgelöstes Safety-Car veränderte die Situation noch einmal komplett. Sainz fuhr an die Box und lag beim Neustart in Runde 55 direkt hinter Verstappen - mit sechs Runden frischeren Hard-Reifen.
In den folgenden 16 Runden bis zum Ziel entwickelte sich ein spannendes Duell um den Sieg. Absetzen konnte sich Verstappen an der Spitze nicht. Er hatte Sainz dauerhaft im DRS-Fenster und machte sich Sorgen, ob er sich die ganze Zeit würde verteidigen können. Denn Ferrari schien im Rennen schneller zu sein und hatte eben den Vorteil der frischeren Reifen.
Marko lobt Sainz: "Geschickt gemacht"
"Wir haben von der Spitzengruppe die ältesten Reifen gehabt, und in Sektor zwei war der Ferrari sauschnell und dadurch ist der Max nicht aus dem DRS-Fenster gekommen", analysiert Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko gegenüber 'Sky' das Duell. "Er (Sainz; Anm. d. Red.) hat das sehr geschickt gemacht, hat die Batterie geladen und ist dann mit voller Power gekommen."
Auf der langen Gegengeraden kam Sainz Verstappen dabei meist ziemlich nah, eine Chance ließ Verstappen seinem Gegner aber im Grunde nie. "Du musst natürlich sicherstellen, dass du an den Stellen einen guten Kurvenausgang hast, wo er DRS hat", erklärt Verstappen den Schlüssel.
"Es ging aber einfach darum, ans Limit zu gehen und dabei generell keinen Fehler zu machen", so der Niederländer. "Ich wusste: Selbst wenn ich in Sektor eins einen kleinen Fehler machen würde, dann würde Carlos eine Zehntelsekunde gewinnen, und das wäre vielleicht genug, um in der ersten DRS-Zone näher zu kommen und dann in der zweiten."
Doch Verstappen machte keinen Fehler, stattdessen übertrieb es Sainz ab und zu: "Gott sei Dank hat Sainz zweimal in der Spitzkehre leichte Verbremser gehabt. Also das hat uns das Leben etwas leichter gemacht", sagt Marko im 'ORF', "aber solche Rennen gehen an die Substanz".
Red Bull mit einigen Problemen
Denn bei Red Bull kam man zwischenzeitlich ganz schön ins Schwitzen. Zwischenzeitlich fiel der Funk bei Verstappen aus, und nach dem Ausfall von Sergio Perez musste man um die Zuverlässigkeit des RB18 bangen.
"Wohl fühlt man sich nicht", meint Marko, "aber wir haben genau die Temperaturen beobachtet, da haben wir ja genug Leute herum und haben Entwarnung gegeben." Stattdessen war man über die Bremsen besorgt, die in Kanada am Limit waren - und das schon in der ersten Phase des Rennens. "Aber dann zum Schluss komischerweise, obwohl voll gefahren worden ist, ist alles gutgegangen."
Red Bull hatte sogar noch eine Leistungsreserve in der Hinterhand, die man Verstappen zum Verteidigen an die Hand geben wollte. "Aber es war nicht klar, ob er das gehört hat oder nicht", so Marko. "Manchmal geht es ja durch, manchmal auch nicht."
Doch egal wie, es reichte für Verstappen, der an dem Duell eine Menge Freude hatte: "Es war gutes Racing. Es macht immer mehr Spaß, wenn du ein Formel-1-Auto wirklich pushen kannst, anstatt einfach nur Reifen zu sparen", lacht er.
Sainz "musste alles riskieren"
Carlos Sainz hingegen wurde der erste Sieg in der Formel 1 wieder einmal verwehrt. Der Spanier wusste, dass er zumindest kleine Vorteile auf seiner Seite haben würde. "Aber zwei oder drei Zehntel reichen nicht, um einen Red Bull zu überholen. Du brauchst ein Delta von fünf oder sechs Zehntel, wenn du eine Chance haben möchtest, Max zu überholen", sagt er.
Daher habe der Ferrari-Pilot alles riskiert und sei einige Male hart über die Randsteine und nah an die Mauer gefahren. "Es gab ein paar haarige Momente in der Dirty Air. Ich kam ein paar Mal nah ran, aber es war nicht genug, um irgendwo einen Angriff auf der Innenbahn starten zu können", sagt er. "Ich kann euch aber sagen, dass ich gepusht habe."
Sainz' Vorteil war, dass er sich immer wieder ransaugen konnte, solange er im DRS-Fenster war. Ohne dieses hätte es wohl keinen Kampf gegeben, meint er: "Die Dirty Air beeinflusst dich noch immer stark, vor allem auf dieser Strecke, wo du nur eine Linie hast. Es gibt nur Schikanen, und du kannst deinen Frontflügel nirgendwo anders hintun, um Untersteuern und das Überhitzen der Reifen zu verhindern."
War Hard die falsche Entscheidung?
Die Frage ist, ob Ferrari mit der Taktik richtig lag, denn vielleicht hätte Sainz mit Medium- oder sogar Soft-Reifen eine größere Chance gehabt. Die Überlegung gab es laut ihm zumindest. "Aber das Safety-Car ist etwas länger draußen geblieben, als ich gedacht habe", sagt er.
"Zum Zeitpunkt der Freigabe waren nur noch 16 Runden oder so zu fahren. Das war die richtige Zahl, um vielleicht den Soft zu nehmen und Max in der Aufwärmphase des Hard zu überholen. Aber jetzt kann man das einfach sagen. Damals waren es noch mehr als 20 Runden, und der Hard war bis zum Ziel die schnellste Option - vor allem mit dem Wissen, dass unser Hard etwas frischer war."
Im Nachhinein ärgert ihn die Safety-Car-Phase, denn Sainz glaubt, dass Verstappen ohne dieses nicht so leicht an ihn herangekommen wäre. "Es wäre am Ende ein guter Kampf gewesen, und ich war bereit, bis zum Ende draußen zu bleiben. Ich hatte eine gute Pace, und wir hätten es schaffen können", sagt er.
Sainz: "Gibt mir Selbstvertrauen"
Somit wartet der Ferrari-Pilot weiter auf seinen ersten Sieg in der Formel 1, doch das heutige Rennen hat ihm Mut gemacht: "Im Vergleich zu Red Bull waren wir heute schneller", behauptet er. "Zum ersten Mal in dieser Saison kann ich sagen, dass ich auf der Strecke der Schnellste war. Das gibt mir Selbstvertrauen für die nächsten Rennen."
Das kann auch Max Verstappen nach dem sechsten Sieg im neunten Saisonrennen haben. Er hat seinem Team wieder einmal bewiesen, warum er Weltmeister ist und die WM anführt, weil er unter Druck fehlerfrei geblieben ist und abgeliefert hat. "Das ist heute etwas, was, glaube ich, nicht viele Piloten so hinlegen können", lobt Marko.
Verstappen hält Dauerdruck von Sainz stand: "Bekommen nicht viele hin!" - Motorsport-Total.com
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