Berlin Am Sonntag folgte im Zuge des Ukraine-Kriegs die nächste Drohgebärde aus Russland: Der russische Präsident Waldimir Putin ordnete an, die Abschreckungswaffen der Atommacht in besondere Alarmbereitschaft zu versetzen. Im Video des Kremls sprach Putin von „Abschreckungswaffen“, nicht explizit von „Atomwaffen“.
„Wie Sie sehen können, ergreifen die westlichen Länder nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht unfreundliche Maßnahmen gegen unser Land“, sagte Putin im Staatsfernsehen. Dabei bezog er sich auf die Sanktionen der EU und der Nato-Länder gegen Russland, Putin selbst und einige seiner Vertrauten. Als Reaktion auf Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte der Westen eine Reihe russischer Banken vom Zahlungsinformationssystem Swift abgeklemmt.
Die nukleare Drohung des Kreml-Chefs besorgte auch die Nato. „Das zeigt, wie ernst die Lage ist und warum wir wirklich zusammenstehen müssen“, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Sonntag in einem BBC-Interview.
Seit der Provokation stellt sich umso mehr die Frage, wie viele Atomwaffen Russland besitzt und ob diese Putin als realistische Option vorschweben. Ein Überblick:
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Was sind Abschreckungskräfte?
„Ich weise den Verteidigungsminister und den Generalstabschef an, die Abschreckungskräfte der russischen Armee in besondere Kampfbereitschaft zu versetzen“, ordnete Putin am Sonntag an. Wie der Name schon sagt, meint der Präsident mit „Abschreckungskräften“ all jene Waffensysteme, die einen Angriff auf Russland abschrecken sollen.
Konkret umfassen diese Abschreckungskräfte ein massives Arsenal an ballistischen Raketen mit konventionellen Sprengköpfen, moderne Marschflugkörper und Kurzstreckenraketen, sowie Hyperschallwaffen. Auch Atomwaffen sind Teil dieses Arsenals – diese nannte Putin jedoch nicht explizit. Hyperschallwaffen und Atomwaffen haben gemeinsam, dass „eine Abwehr dagegen kaum möglich ist“, sagte Militärexperte und Journalist Thomas Wiegold der tagesschau24.
Russlands Atomwaffen sind auf festen Raketensilos, mobilen Abschussrampen und auf U-Booten stationiert. Dazu kommen Langstreckenbomber, die entsprechende Waffen tragen können.
Was sind Atomwaffen?
Laut der Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) gehören Atomwaffen zu den Massenvernichtungswaffen. Der Einsatz einer solchen Bombe – auch Nuklear- oder Kernwaffe genannt – wäre verheerend. „Je nach Größe und Explosionsort (am Boden oder in der Luft) kann eine einzige Atombombe größere Flächen zerstören und damit auch viele zehntausende bzw. sogar hunderttausende Menschen töten“, schreibt die bpb.
Zur Herstellung solcher Waffen benötigt man Uran oder Plutonium, also radioaktives Material. Die Wirkung einer Atombombe beruht auf Kernfusion oder Kernspaltung.
Wie viele Atomwaffen hat Russland?
Im Januar 2021 war Russland im Besitz von 6255 nuklearen Sprengköpfen, wie das Stockholmer Friedensinstitut Sipri angibt. 2020 waren es noch 6375.
Damit ist Russland die größte Atommacht der Welt, knapp gefolgt von den USA. Die beiden Länder besitzen gemeinsam rund 93 % aller Atomwaffen weltweit.
Wie viele Atomwaffen hat die Nato?
Neben Russland und den USA besitzen sieben weitere Länder Atomwaffen und entsprechende Trägersysteme, um diese auch einsetzen zu können. Diese Länder sind China, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Pakistan, Indien, Israel und Nordkorea.
Das amerikanische Arsenal macht einen Großteil der Nato-Kernwaffen aus: 5550 nukleare Sprengköpfe besaß das Land im Jahr 2021. Die beiden weiteren Nato-Atommächte Frankreich, mit 290 nuklearen Sprengköpfen, und das Vereinigte Königreich, mit 225 nuklearen Sprengköpfen, liegen weit darunter.
Gibt es Atomwaffen in Deutschland?
Deutschland selbst gilt zwar nicht als Atommacht, dennoch gibt es auch hierzulande Atomwaffen. Als Mitgliedstaat der Nato sind nukleare Waffen und entsprechende Trägersystem in Deutschland stationiert. Diese „nukleare Teilhabe in der Nato“ erklärt das Bundesministerium für Verteidigung mit der Notwendigkeit einer Abschreckung, sollte es zu einem Krieg mit Kernwaffen kommen. Ein deutscher Standort für nukleare Waffen soll der Militärstützpunkt Büchel sein: 15 bis 20 Atombomben sind dort angeblich gelagert. Offizielle Angaben seitens der Regierung gibt es nicht dazu.
Wie schnell wären Atomwaffen einsetzbar?
Laut Sipri sind fast 4000 der weltweiten Atomwaffen einsatzbereit. Davon befinden sich etwa 1800 Atomwaffen in ständiger Höchstalarmbereitschaft, so die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). Die sogenannte „Launch-On-Warning“-Strategie erlaube es ranghohen Offizieren, einen Atomschlag anzuordnen, sobald entsprechende Sensoren vor ankommenden feindlichen Raketen warnen. Die Kernwaffen in Höchstalarmbereitschaft können ihr Ziel innerhalb weniger Minuten erreichen, so die ICAN.
Wie wahrscheinlich ist ein Einsatz von Atomwaffen?
Das Friedensforschungsinstitut Sipri rechnet nicht mit dem Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Krieg. „Ich glaube nicht, dass ein Atomkrieg eine wahrscheinliche Folge dieser Krise ist“, sagte Sipri-Direktor Dan Smith der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Wenn Atomwaffen existieren, dann gibt es aber leider natürlich immer diese kleine Möglichkeit. Und das wäre katastrophal.“
Auch Andreas Hasenclever, Professor für Friedensforschung und Internationale Politik an der Universität Tübingen, erklärte den Atomwaffeneinsatz Russlands als unwahrscheinlich. Viel mehr soll es abschreckend gegenüber der Nato wirken. „Bleibt zuhause, macht nichts, dann passiert Euch auch nichts“, beschrieb Hasenclever Putins Taktik gegenüber der Stuttgarter Zeitung.
Der Journalist und Militärexperte, Thomas Wiegold, sagte bei Tagesschau24, Putins Atomwaffen-Drohung sei nicht neu, sondern habe es auch schon bei der Annexion der Krim im Jahr 2014 gegeben. „Ein bisschen überraschend und vielleicht auch erschreckend ist diese recht schnelle Eskalation von der Ankündigung, den Nachbarn in den neu anerkannten Republiken im Donbass zu helfen, bis zu dieser unverhohlenen Drohgebärde mit Atomwaffen.“ Zum jetzigen Zeitpunkt sei aber nicht abschätzbar, was genau dahinterstecke, sagte Wiegold.
Wie viele Atomwaffen hat Russland? Ein Überblick - Handelsblatt
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