Stand: 25.03.2022 18:03 Uhr
In einer Nachtsitzung haben die Spitzen der Ampelkoalition milliardenschwere Entlastungen beschlossen - darunter ein befristetes Neun-Euro-Monatsticket für Busse und Bahnen.
Wann das Ticket kommt und wie das genau funktionieren soll, ist bisher unklar. Gerd Aschoff vom Fahrgastverband ProBahn sieht viele offene Fragen und betont: Nicht nur der Preis, auch das Angebot sei entscheidend. Das Interview mit Gerd Aschoff.
NDR.de: Herr Aschoff, Ihr Kollege Karl-Peter Naumann vom Bundesverband ProBahn hat gesagt, das Neun-Euro-Ticket sei ein populistischer Schnellschuss ohne nachhaltige Wirkung. Sehen Sie das auch so?
Gerd Aschoff: Wir wissen fast nichts über dieses Ticket. Es steht nur dieser - natürlich ausgesprochen günstig wirkende - Preis im Raum. Wie das umgesetzt werden kann, wie das in den Städten und Gemeinden und bei den Fahrgästen ankommt, das wissen wir ja heute noch nicht. Insofern bin ich da etwas zurückhaltender, erwarte aber natürlich vom Bund und von den Ländern, dass die möglichst schnell die Informationen geben, wie Fahrgäste dieses Angebot dann wirklich konkret nutzen können.
Und was stellen Sie sich konkret vor? Wie muss diese Idee, die ja erst mal im Raum steht, konkret ausgestaltet sein aus Ihrer Sicht?
Aschoff: Naja, der Preis ist saumäßig günstig, gar keine Frage. Aber für wen gilt das? Und in welchen Städten und in welchen Verkehrsverbünden gilt das, wie weit kann man da fahren? Gestern sagte mir einer: "Ja, das soll ja bundesweit sein!" Also kann ich in Südniedersachsen dieses Ticket kaufen und dann auch in Franken oder in Baden mit diesem Nahverkehrsticketsfahren? Oder gilt das nur, sagen wir mal, in der Landeshauptstadt Hannover, aber nicht in einer Großraumregion Hannover? Da gibt es Hunderte von Fragen zu dem, was da erst mal als Idee im Raum steht. Und diese Fragen müssen beantwortet werden, bevor wir letztendlich das beurteilen können.
Und eine ganz wichtige Frage ist natürlich auch: Was ist mit dem Bestandskunden, die also zum Beispiel ein Jahresabo haben? Also das heißt, bei denen läuft ja regelmäßig die Abbuchung. Bekommen die das jetzt auch oder gilt das nur, um neue Fahrgäste in die öffentlichen Verkehrsmittel zu locken? Das sind so Fragen, die sollten möglichst schnell beantwortet werden.
Nun ist es so, dass dieses Ticket nicht dauerhaft gelten soll, sondern befristet. Ist das richtig? Oder ist das falsch aus ihrer Sicht?
Aschoff: Die Grundüberlegung ist, dass man mit günstigen Tarifen, wenn die entsprechende Finanzierung und die entsprechende Umsetzung hinterlegt ist, relativ kurzfristig was machen kann. Aber die Kombination mit dem Angebot steht damit genauso unbeantwortet im Raum. Und wir wissen aus allen Umfragen, dass das Angebot mindestens so wichtig ist wie ein günstiger, attraktiver Preis. Wir haben hier in Südniedersachsen einen Verkehrsverbund, der mit einem Fünf-Euro-Ticket ja wirklich in Vorlage getreten ist. Das ist ein sehr günstiges Angebot, das hier schon seit zwei Jahren läuft und auch auf Dauer angelegt ist. Drei Monate klingt relativ wenig. Man kann dann sagen, besser als gar nichts.
Aber wir müssen eben auch weiter arbeiten an dem attraktiven Angebot. Weil wir nur dann dauerhafte Fahrgäste in öffentliche Verkehrsmittel bekommen. Und gleichzeitig wissen wir auch, dass die Schaffung neuer und attraktiver Angebote wirklich eine ganze Zeit lang braucht. Also Streckenreaktivierungen, neue Bahnhaltepunkte und eben auch Buslinien in kürzeren Takten, nicht nur alle Stunden oder gar alle zwei Stunden auf dem Land. Das sind ja alles Dinge, die längst bekannt sind, dass da mehr gemacht werden muss. Und das schaffen wir natürlich nicht in drei Monaten.
Gibt es überhaupt genug Personal und vor allem auch Busse, um das Angebot zu verbessern. Wie schätzen Sie das kurzfristig und langfristig ein?
Aschoff: Das ist die zentrale Frage: Werden Busse und Bahnen dann so voll, dass es gleich wieder unattraktiv wird für viele Fahrgäste, die sich dann abwenden und sagen "Nein, also das ist dann nichts für mich"? Kurzfristige Angebotsverbesserungen sind momentan im Zeichen des Fachkräftemangels und natürlich auch im Zeichen von Corona ganz, ganz schwierig. Wir haben in vielen öffentlichen Verkehrsmitteln in den Verkehrsbetrieben gravierend viele Ausfälle. Und wir sind froh, wenn das vorhandene Angebot einigermaßen zuverlässig gefahren werden kann.
Da ist sicherlich mehr zu tun als dieses Neun-Euro-Ticket, das irgendwann beginnt. Den genauen Startzeitpunkt kennen wir noch nicht, nur eben dass es nach drei Monaten wieder aufhört. Das sieht schon sehr nach einem Strohfeuer aus. Aber ich möchte es zum heutigen Zeitpunkt nicht gleich in der Luft zerreißen.
Das Interview führte Wieland Gabcke, NDR.
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Neun-Euro-Ticket: ProBahn sieht viele offene Fragen - NDR.de
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