In einer ungewöhnlich deutlichen Stellungnahme hat die Finanzaufsicht Bafin die Lebensversicherer abgewatscht. Im aktuellen Bafin-Journal bestätigt die Behörde die Kritik vieler Verbraucherschützer an Lebensversicherungen: Sie sind zu teuer und offen für "Interessenkonflikte im Vertrieb". Auf Deutsch: Vertriebe verkaufen bestimmte Policen vor allem deshalb, weil sie hohe Provisionen und andere Zahlungen bringen, nicht weil sie im besten Interesse des Kunden sind.
"Wenn Lebensversicherungen zu viel kosten", überschreiben Guido Werner und Roland Paetzold vom Grundsatzreferat Lebensversicherungen ihren Verriss. "Hohe Kosten können darauf hindeuten, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis von Versicherungsanlageprodukten nicht angemessen ist", schreiben sie. Fakt ist: Es gibt etliche Angebote im Markt, die ohne tatsächlichen Mehrwert, aber deutlich teurer sind als andere.
Die Bafin hat 2021 bei den Gesellschaften die Kostenbelastung für die am meisten verkauften Verträge abgefragt. Das Ergebnis: Die sogenannten Effektivkosten betragen für ein Eintrittsalter von 37 Jahren und einer Laufzeit von 30 Jahren im gewichteten Mittel 1,9 Prozent.
1,9 Prozent Kosten - das klingt wenig. Doch mit den Effektivkosten wird die Renditeminderung durch die jährliche Kostenbelastung gemessen. Eine solche Minderung ist eine Menge Geld. Wenn die Kapitalanlagen nicht mindestens 1,9 Prozent einbringen, liegt die Rendite bei null, im schlimmsten Fall drohen sogar Verluste.
Hat sie oder er 50 000 Euro angespart, gehen jedes Jahr 950 Euro an Kosten drauf. Es geht noch schlimmer: 25 Prozent der Verträge haben Effektivkosten von mehr als 2,35 Prozent.
Das Hauptproblem sind hohe Provisionen und andere Zahlungen
Eigentlich müssen die Lebensversicherer dafür sorgen, dass ihre Verträge im Interesse des Kunden sind und es keine Interessenkonflikte gibt. Offenbar nehmen sie das nicht immer ernst, findet die Bafin.
Das Hauptproblem sind hohe Provisionen und andere Zahlungen an Vertriebe. Wenn ein Vertrieb wie DVAG, OVB, MLP oder Swiss Life Select einen Vertrag verkauft, erhält er dafür eine Provision vom Versicherer - die zahlt die Kundin oder der Kunde. Der Versicherer legt das Geld in vielen Fällen in Fonds an. Die Fondsgesellschaft gibt dem Versicherer eine Rückvergütung, einen sogenannten Kickback, auch die geht zu Lasten der Kunden. Schließlich überweist die Fondsgesellschaft bei 19 Prozent aller Verträge auch noch eine Vergütung direkt an den Vertrieb - erneut auf Rechnung der Endkundin. Im Dezember 2021 wurde bekannt, dass Deutschlands größer Finanzvertrieb DVAG solche Kickbacks direkt von Fondsgesellschaften erhält.
"Dadurch erhöht sich die Gefahr, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis aus der Perspektive der Versicherungsnehmer nicht mehr angemessen ist", kritisieren die Bafin-Experten solche Praktiken. Außerdem seien dabei die Abschluss- und Vertriebskosten weder für Versicherer noch für Kunden ausreichend transparent.
Interessenkonflikte liegen auf der Hand: Ein Vertrieb verkauft lieber Verträge, bei denen er die höchsten Einnahmen hat, einschließlich der Kickbacks. Dass sie nicht unbedingt im besten Interesse des Kunden sind, stört dabei selten.
Die Bafin schreibt nichts von Maßnahmen, die sie ergreifen will. Aber das ist nicht ungewöhnlich: Mit dem Artikel hat die Behörde ihre Kampagne eröffnet und den Versicherern klar gemacht, dass sie das Problem angehen wird.
Finanzaufsicht: Viele Lebensversicherungen sind zu teuer - Wirtschaft - Süddeutsche Zeitung - SZ.de
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