Die großangelegte russische Invasion in der Ukraine hat das Leben vieler Menschen im Land verändert. Wie ist die Lage derzeit in Lwiw, ganz im Westen des Landes? DW-Reporter Oleksandr Kunyzkyj war vor Ort.
Lwiw - das sind enge Gassen, historische Architektur, gemütliche Cafés und belebte Straßen. So sieht Lwiw auch weiterhin aus und auf den ersten Blick scheint hier noch ein friedliches Leben zu herrschen. Erst ein Sirenenalarm, mit dem die Menschen aufgefordert werden, sich in Bunker zu begeben, macht schlagartig klar, wie die Lage wirklich ist. Plötzlich sieht man dann die Angst in vielen Gesichtern in den Menschenschlangen vor Geldautomaten oder vor den Blutspendediensten.
Russlands militärischer Angriff auf die Ukraine hat bereits tausende Zivilisten in der Ukraine gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und sich entweder ins Ausland oder eben in den Westen des Landes zu retten - unter anderem in die westukrainische Metropole Lwiw.
Viele suchen Zuflucht im Westen der Ukraine
Doch für die Ankommenden gibt es nicht mehr genügend freie Wohnungen, sagt Kateryna, die als Maklerin tätig ist. "Was langfristige Vermietungen angeht, kann ich nichts sagen, da vielleicht gibt es noch welche. Aber Wohnungen, die man kurzfristig anmieten kann, davon gibt es gar keine mehr", so Kateryna. "Denn Flüchtlinge mieten Wohnungen nicht für ein Jahr, sondern nur für eine Woche oder einen Monat, in der Hoffnung, dass der Krieg bald wieder vorbei ist und sie zurück können."
Entsprechend stößt man auch bei Plattformen wie booking.com kurzfristig auf keine Angebote mehr in Lwiw. Über Airbnb lassen sich noch einige Appartements finden, doch deren Preis beginnt bei 600 Euro für eine Woche. "Sehr teuer" findet das Maklerin Kateryna. Normalerweise bietet sie Wohnungen für etwa 6000 Hrywnja an, umgerechnet rund 180 Euro pro Monat. Nur im Sommer, während der Touristensaison, hat auch Kateryna Wohnungen in dieser Preiskategorie. Die Preise jetzt aufgrund des Krieges in die Höhe treiben - das verurteilt sie aufs Schärfste. Damit wolle sie nichts zu tun haben, sagt sie.
Starker Wille zur Verteidigung der Stadt und des Landes
Unterdessen melden sich immer mehr Bürger von Lwiw freiwillig bei der Territorialverteidigung und den Streitkräften der Ukraine. Seit Kriegsbeginn bilden sich jeden Tag Schlangen vor den Ämtern. "Ab dem Moment, als ich hierher kam, fühlte ich mich einfach besser. Sich alles dies nur von zu Hause aus anzuschauen, fällt schwer", sagt Dmytro aus Lwiw. Er meldet sich zur Territorialverteidigung vor allem deshalb, weil er dort eine militärische Grundausbildung erhalten will. "Ich will wissen, wie man mit einem Maschinengewehr umgeht, wie man damit schießt. Das ist jetzt die Pflicht eines jeden Mannes. Zu Hause zu sitzen, ist einfach unmännlich", meint Dmytro,
Auch Andrij, ein anderer Freiwilliger aus Lwiw, meldet sich für die Territorialverteidigung: "Ich will einfach, dass die Besatzer nicht in unsere Gebiete kommen, dass es keine Sabotageakte gibt, dass weiter Ordnung herrscht. Ich gehe davon aus, dass Menschen auch in anderen Städten dies tun werden, und dass das auch Wirkung zeigen wird", sagt er. Beide, Andrij und Dmytro, würden nicht nur ihre Heimatstadt Lwiw, sondern auch andere Städte in der Ukraine verteidigen, wenn sie hierfür gebraucht würden, sagen sie.
Wjatscheslaw Mordik, ein Designer aus Lwiw, ist gekommen, weil er sich zu den ukrainischen Streitkräften melden möchte. Erst wollte auch er sich bei der Territorialverteidigung melden. "Aber dann entschied ich, mich den ukrainischen Streitkräften anzuschließen. Der Zulauf ist groß, es gibt viele Männer, auch unter meinen Bekannten, die das wollen", erzählt er. Auch Wjatscheslaw will nicht einfach zu Hause bleiben und den Krieg nur in den Nachrichten verfolgen. "Ich möchte nicht dasitzen, während andere meinen Staat und meine Freiheit verteidigen", betont er.
Große Bereitschaft zur Blutspende
Die große Hilfsbereitschaft der Stadt zeigt sich auch bei Blutspenden für verwundete Soldaten. Vor den entsprechenden Stellen in Lwiw bilden sich Menschenschlangen. Es kommen viele, die zum ersten Mal in ihrem Leben Blut spenden.
Lina, die sich ehrenamtlich bei der Blutabnahme engagiert, freut sich, dass so viele Menschen zu diesem Schritt bereit sind. "Nur eine halbe Stunde nach Öffnung standen schon 100 Personen an. Eine größere Zahl an Blutspenden können wir an einem Tag gar nicht annehmen", berichtet Lina. "Viele Leute sind verärgert, wenn wir sie wegschicken müssen. Aber wir sind stolz auf alle, die helfen wollen". Abgelehnt werden bisher grundsätzlich Blutspenden von Frauen. "Frauen, so wurde uns gesagt, sollen zunächst einmal in Reserve bleiben. Denn man darf nur alle zwei Monate Blut spenden", erläutert Lina.
Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk
Lwiw: Flüchtlinge, Blutspenden und viele Kriegsfreiwillige - DW (Deutsch)
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