Nach Ansicht des Würth-Chefs Robert Friedmann sind die kurzfristige Planung vieler Unternehmen und eine Überreaktion im ersten Lockdown 2020 mitverantwortlich für die aktuell gravierenden Lieferkettenprobleme. Sein Konzern komme besser durch die Krise, weil sich das Management im Frühjahr 2020 anders verhalten habe als viele andere, sagte er in einem Videotelefonat mit der F.A.Z.
Damals habe das Unternehmen, das als Schraubenhändler bekannt ist und sein Geld mit Montage- und Befestigungstechnik verdient, die Kapazitäten zwar angepasst, sei aber nicht mit der Axt vorgegangen. „Wir haben gewusst, dass dieser Lockdown nicht ewig geht.“ Deshalb seien die Lieferkettenprobleme für Würth nun geringer als für andere. „Die Verschiebungen in den Lieferketten kommen aus unserer Sicht daher, dass viele Unternehmen überreagiert haben.“
„Wir haben den längeren Atem“
Weil Würth nicht an der Börse notiert ist, sei man im Vorteil gewesen. „Der Familie Würth geht es um langfristigen Erfolg. Wir haben den längeren Atem. Das hat sich ausgezahlt.“ Viele der handelnden Personen hätten die Finanzmarktkrise 2008 schon erlebt und daraus gelernt, die Kapazitäten weniger stark anzupassen. Dem Unternehmen kommt dabei nach eigenen Angaben auch zugute, dass es vermehrt auf eigene Produktion setzt. Das gewährleiste eine „gewisse Unabhängigkeit von globalen Lieferketten“. 80 Prozent der Würth-Waren hätten ihren Ursprung in Europa.
Anlass für das Gespräch war die Bekanntgabe des vorläufigen Konzernabschlusses für das abgelaufene Jahr. Das Unternehmen aus Künzelsau im Nordosten Baden-Württembergs legte Rekordwerte vor. Der Umsatz stieg 2021 im Vergleich zum Vorjahr mit 18,5 Prozent um fast ein Fünftel auf 17,1 Milliarden Euro, das Betriebsergebnis lag bei 1,2 Milliarden Euro. Beides sind nach Unternehmensangaben Rekordmarken. Auch im Jahr 2020 hatte der Konzern ein leichtes Umsatzwachstum verzeichnet. Für das laufende Jahr erwartet er ein Wachstum im oberen einstelligen Prozentbereich, vielleicht sogar zweistellig.
Kritik an Zollplänen der EU
Ein Teil des Umsatzwachstums gehe auf die Inflation zurück, räumte Friedmann ein. Als Größenordnung nannte er 4 bis 5 Prozent. Die Einkaufspreise seien dabei schneller gestiegen als die Verkaufspreise. „Das merken wir an der Rohmarge. Wir konnten die Preise nur unzureichend weitergeben“, sagte er trotz der Rekordmarke beim Betriebsergebnis.
Insbesondere die Frachtkosten sind stark gestiegen, legte Würth in einer Präsentation dar. Die Containerpreise für manche Routen haben sich demnach seit Beginn der Pandemie mehr als vervierfacht. „Wir haben Frachtkosten, die keiner von uns in seiner Berufslaufbahn je gesehen hat“, sagte Friedmann. Die Frachtunternehmen haben seiner Meinung nach viel Marktmacht und konnten deshalb die Preise anheben. Der dänische Riese Maersk habe seine Rendite von 9 auf 30 Prozent steigern können.
Friedmann kritisierte in dem Gespräch auch Pläne der EU, Strafzölle auf Schrauben aus China zu erheben, um gegen Dumpingpreise vorzugehen. „Staatlicher Protektionismus führt immer zu Unwuchten. Der Schaden, der durch den Strafzoll entsteht, ist größer als der Nutzen. Dann wird es Gegenreaktionen geben.“ Weil Würth aber viele der Schrauben in Europa fertige, berührten die Plänen das Unternehmen kaum. Das von den Dumpingpreisen betroffene Segment spiele für Würth ohnehin kaum eine Rolle.
Das Unternehmen stellte im vergangenen Jahr viele neue Leute ein. Die Mitarbeiterzahl wuchs um etwa 4000 auf insgesamt mehr als 83.000 Mitarbeiter, gut 25.000 davon in Deutschland. Nach Angaben von Friedmann hilft die stärkere Verbreitung von Homeoffice Würth in der Rekrutierung neuer Mitarbeiter. Die Kleinstadt Künzelsau liegt im Hohenlohe-Kreis, in dem vergleichsweise viele große Unternehmen ihren Sitz haben, der aber eher ländlich geprägt ist.
„Viele Unternehmen haben überreagiert“ - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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