Positive Corona-Tests spielen bei den Problemen von Borussia Mönchengladbach momentan nur eine untergeordnete Rolle. Denis Zakaria, Joe Scally und Keanan Bennetts fallen für das Spiel beim FC Bayern München aus. Sorgen machen sich die Gladbacher um ganz andere Dinge: den Klassenerhalt, die mentale Stabilität ihres Kaders und die künftige Rolle des Vereins in der Bundesliga.
Eine schwächelnde Mannschaft, Spiele ohne Zuschauer, die ablösefreie Hergabe der Topspieler Denis Zakaria und Matthias Ginter im kommenden Sommer sowie Gedanken über neue Einnahmequellen beschäftigen die Fußballmanager am Niederrhein. "Corona trifft Klubs wie uns, die sich aus eigener Kraft ohne externe Geldgeber wie Investoren, Mäzene oder Werke finanzieren, besonders hart", sagt der Finanzchef Stephan Schippers.
Daraus schließt der Sportchef Max Eberl: "Würden konkurrierende Vereine kreative Wege suchen, sich finanziell aufzustellen, wir aber bei unserem Modell bleiben, dann könnte Europa ein utopisches Ziel für uns werden - deshalb müssen wir uns Gedanken machen."
Der coronabedingte Gesamtschaden beläuft sich auf etwa 100 Millionen Euro
Gladbachs coronabedingter Gesamtschaden seit März 2020 beläuft sich auf Umsatzeinbußen in Höhe von etwa 100 Millionen Euro. Das sind entgangene Zuschauer- und Sponsoring-Einnahmen sowie für die aktuelle Saison eine um 18 Millionen Euro geringere TV-Einnahme, nachdem der neue Liga-Vertrag unter dem Eindruck der Corona-Pandemie verhandelt und abgeschlossen wurde. Schippers sagt: "Einen Teil der Umsatzeinbußen konnten wir durch Einsparmaßnahmen, Verzicht auf geplante Investitionen, die Unterstützung unserer Mitarbeiter, Spieler und Fans und durch Einnahmen aus der Champions League in der vergangenen Saison kompensieren, sodass wir im Geschäftsjahr 2020 einen Verlust von 16,7 Millionen Euro verzeichnet haben und für das Geschäftsjahr 2021 mit einem ähnlichen Ergebnis rechnen."
Dass es für Zakaria (Marktwert 27 Millionen Euro) und Ginter (24 Millionen Euro) keinen Cent Ablöse gibt, tut dem Klub doppelt weh. Ihr sich schon länger abzeichnender Weggang sowie die Veränderungsgedanken auch der französischen Stürmer Alassane Plea und Marcus Thuram könnten sich zudem negativ auf die Konzentrationsfähigkeit der gesamten Mannschaft ausgewirkt haben.
Die im vergangenen Sommer noch als Vorteil empfundene Festigung eines unveränderten Kaders hat sich im Nachhinein als Problem erwiesen. Das empfindet auch der Sportdirektor Eberl so. "Wir hätten im Sommer schon gerne Transfers gemacht, weil ich finde, dass ein Kader immer wieder eine neue Mischung und eine neue Chemie braucht, da müssen Reibungen und neue Konkurrenzen entstehen." Man habe den Kader in dieser Konstellation jetzt drei Jahre beisammen. "Es wäre ein guter Moment gewesen, etwas zu verändern - aber es war eben auch die wahrscheinlich schwierigste Situation in der Fußballgeschichte." Eberl sagt: "Wir hätten gerne agiert, konnten aber nicht."
Trainer Hütter kritisiert die Defensivleistung: 18 Gegentreffer bezog seine Mannschaft in den letzten fünf Hinrundenspielen
Die statistischen Hinrunden-Werte der Gladbacher im Ligavergleich nehmen von der fußballerischen Qualität (hoch) hin zur kämpferischen Aufopferungsbereitschaft (überschaubar) stetig ab: Zweiter bei der Passquote, Fünfter beim Ballbesitz, Achter bei den Zweikämpfen, Dreizehnter bei der Laufleistung und Sechzehnter bei Sprints und intensiven Läufen. Daran erkennt man, dass es der Mannschaft vor allem in der apokalyptisch anmutenden Phase gegen Ende der Hinrunde (1:4 in Köln, 0:6 gegen Freiburg, 1:4 in Leipzig, 2:3 gegen Frankfurt) an Trotz, Widerstand und Kampfbereitschaft gemangelt hat. Dieses Phänomen war bereits nach der Abschiedsankündigung des vormaligen Trainers Marco Rose im Februar vergangenen Jahres zu beobachten gewesen und hat sich zu einem Schwachpunkt der Mannschaft entwickelt.
Der Trainer Adi Hütter hat klare Vorstellungen davon, welche Tugenden seine Spieler in der Rückrunde präsentieren sollen. Er fordert "hohe Intensität, Verbesserungen im läuferischen Bereich und eine bessere Verteidigung der Box". Die Box ist der Strafraum, und dessen Verteidigung haben die Borussen mit 18 Gegentreffern in den letzten fünf Hinrundenspielen geradezu verweigert.
Dass seine Mannschaft, der man eigentlich den Kampf um die Europapokalplätze zugetraut hatte, nun gegen den Sturz in die Abstiegszone kämpft, nennt Hütter "eine unangenehme Überraschung". Mit einem möglichen Horror-Szenario Abstieg mag sich der Österreicher angesichts der Qualität seines Kaders aber offenbar noch nicht beschäftigen. "Die Situation ist nicht ungefährlich", gesteht er zwar, aber: "Das Glas erscheint halb leer, wenn man in der Tabelle nach unten blickt - doch unser Ansatz sollte sein, mit ein paar Punkten mehr lieber nach oben zu schauen." Dies wäre nicht nur für die Rettung der Saison notwendig, sondern auch für einen optimistischeren Blick in die Zukunft des Traditionsklubs.
Gladbach in der Bundesliga: Zu viele unangenehme Überraschungen - Süddeutsche Zeitung - SZ.de
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