Es sind täglich erschreckende Meldungen aus Rumänien zu hören, wie das Gesundheitssystem kollabiert. Wie erleben Sie die Lage?
Unser Gesundheitssystem ist völlig überfordert. Es gibt keine Kapazitäten mehr, um Patienten aufzunehmen. Die Leute sterben, weil sie kein Beatmungsgerät mehr bekommen. Und selbst wenn wir jetzt mit Hilfe der EU die Geräte und Intensivbetten aufstocken können, es gibt nicht mehr medizinisches Personal, als wir jetzt haben. Die Ärzte müssen in den Krankenhäusern längst eine Triage vornehmen, die Situation ist schlimmer als in Italien im vorigen Frühjahr. Diese Lage wird noch Wochen weitergehen, auch weil die Politik bislang kaum Maßnahmen dagegen ergriffen hat.
Rumänien hat in seiner schwersten Gesundheitskrise gerade keine Regierung. Was bedeutet das für das Land?
Wir sitzen in einem Boot, das orientierungslos ist. Wenn wir eine Abstimmung von Maßnahmen im Parlament hätten, wäre die Regierungskrise kein Problem. Doch bislang ist hiervon nichts zu spüren. Das Parlament müsste jetzt beispielsweise dringend über ein Gesetzesprojekt zur Impfpflicht von medizinischem Personal beraten, um die Sicherheit in den Krankenhäusern zu erhöhen. Frankreich hat eine solche Regelung bereits im September erlassen. Bei uns wird das schwierig. Ich gehe davon aus, dass unser Parlament eine solche Maßnahme nicht billigen wird. Es gibt in den Reihen der beiden größten Parteien, der regierenden liberalen PNL und der oppositionellen sozialdemokratischen PSD, viele Impfgegner. Zudem haben sie Angst, Wählerstimmen an die rechtspopulistische AUR-Partei zu verlieren, die in den vergangenen Monaten gerade bei den Impfgegnern enorm punkten konnte.
Welche Befugnisse hat Präsident Klaus Iohannis, wie kann er jetzt eingreifen?
Den Notstand, den wir zu Beginn der Pandemie im vorigen Jahr hatten, kann er derzeit nicht ausrufen, da dieser von einer Regierung vorgeschlagen werden und im Parlament gebilligt werden müsste. Doch eine Regierung gibt es gerade nicht. Dennoch trägt Staatspräsident Klaus Iohannis gerade eine enorme Verantwortung. Von ihm hängt ab, ob wir eine schnelle Lösung für eine Regierungsbildung bekommen. Wir brauchen nicht irgendeine Regierung, sondern eine, die das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen kann. Andernfalls schlittern wir in eine noch gravierendere Krise.
Ihre Fakultät an der Nationalen Universität für Politikwissenschaft und öffentliche Verwaltung hat eine Impfquote von 95 Prozent erreicht. Wie haben Sie das geschafft?
Das war ganz einfach. Das Personal durfte wählen, ob es sich impfen lässt oder nicht. Wer ungeimpft ist, darf nur Online-Kurse abhalten, die mit einem Gehaltsverlust von gut 30 Prozent verbunden sind. Die Mehrheit hat sich daraufhin für die Impfung entschieden. Hinzu kommt, viele von uns sind von der Wirksamkeit der Impfstoffe überzeugt.
Teil-Lockdown für Ungeimpfte Ab Montag (24. Oktober) ist in Rumänien, das allgemeine Tragen von Gesichtsmasken wieder verpflichtend, nicht nur in Innenräumen sondern auch auf den Straßen. Nachts darf nur noch das Haus verlassen, wer geimpft ist. Die Teilnahme an zahlreichen Aktivitäten soll künftig nur noch jenen erlaubt werden, die einen Impfpass haben. Den Schulen wurde eine zweiwöchige Pause verordnet. Rumänien ist derzeit als Hochrisikiogebiet eingestuft.
Stand: 22. Oktober 2021
Warum in Rumänien gerade so viele Menschen an Covid-19 sterben - MDR
Read More
No comments:
Post a Comment