Noch viele Meta zu gehen – Seite 1
Der Facebook-Konzern heißt jetzt Meta. Der neue Name ersetzt das frühere Facebook Inc. der Dachgesellschaft des gleichnamigen sozialen Netzwerks, zu der auch Instagram und WhatsApp gehören. Das soziale Netzwerk selbst behält seinen Namen bei, wird also auch weiterhin Facebook heißen. Das Unternehmen aus dem Silicon Valley geht somit einen ähnlichen Schritt wie Google, das 2015 einen neuen Mutterkonzern namens Alphabet ins Leben gerufen hat, unter dem Google nur noch eine, wenn auch die wichtigste, Tochterfirma ist.
Die Namensänderung, über die zuvor spekuliert wurde, gab Gründer und CEO Mark Zuckerberg am Donnerstagabend deutscher Zeit bekannt. Die Ankündigung fand im Rahmen von Facebook Connect statt, einer virtuellen Veranstaltung, die sich mit den Entwicklungen des Unternehmens im Bereich virtueller und erweiterter Realität (VR und AR) beschäftigt. Oder, wie es sowohl Facebook als auch andere Firmen inzwischen nennen: im Bereich des Metaverse, des Metaversums.
"Das Metaverse wird der Nachfolger des heutigen mobilen Internets sein, eine Art verkörpertes Internet", sagte Zuckerberg während der Keynote. In den kommenden Jahren soll das Metaversum demnach verschiedene Bereiche des alltäglichen Erlebens ergänzen und teilweise sogar ersetzen, von Games bis zu Bildung. Zuckerberg demonstrierte, wie sich Menschen zu Konzerten, zur Arbeit oder an digitalen Arbeitsplätzen in der virtuellen Realität treffen sollen. Mit der Datenbrille Oculus und der virtuellen Plattform Horizons ist Facebook schon länger an der Entwicklung solcher Anwendungen beteiligt. Künftig wolle man die gesamte Unternehmensphilosophie der Entwicklung des Metaverse unterordnen, sagte Zuckerberg.
"Wir werden heute als Social-Media-Unternehmen gesehen, aber im Kern sind wir ein Unternehmen, das Menschen verbindet", so der Gründer. Das Re-Branding soll helfen, den Fokus von der Plattform Facebook hin zu den größeren Bestrebungen des Konzerns zu verlagern. Der Name werde die Unternehmensstruktur selbst nicht verändern, wohl aber die Art und Weise, wie die Finanzen offengelegt werden, heißt es in der Pressemitteilung. So soll es ab dem vierten Quartal dieses Jahres zwei operative Unternehmensbereiche geben: Apps und Reality Labs. Ab dem 1. Dezember wird es auch ein neues Börsenkürzel geben: MVRS.
Facebook steht in der Kritik
Der Namenswechsel kommt zu einem für den Konzern kritischen Zeitpunkt. Facebook steht unter Druck wie seit dem Skandal um Cambridge Analytica 2018 nicht mehr. Seit Wochen veröffentlichen Medien unter dem Namen Facebook Papers interne Dokumente, die unter anderem von der ehemaligen Angestellten und Whistleblowerin Frances Haugen stammen. Sie beschreiben ein Unternehmen, das genau weiß, welchen Macht es hat – und gleichzeitig keine Skrupel, diese Macht für finanzielle Interessen einzusetzen.
Die Enthüllungen zeigen unter anderem, wie Facebook und seine Tochterfirma Instagram junge Nutzerinnen und Nutzer manipuliert, wie sich Zuckerberg immer wieder persönlich in die Moderation bestimmter Inhalte einmischt, wie deutsche Querdenker-Szene als Experiment für Moderationspraktiken verwendet wurde und wie prominente User ohne Folgen gegen Richtlinien verstoßen können, weil sie einen Sonderstatus innehaben.
Die Dokumente zeigen aber auch ein Unternehmen, dessen Kultur über die Jahre hinweg offenbar erodiert ist. Unzufriedene und desillusionierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen Facebook, die verbleibenden kritischen Stimmen fühlen sich nicht erhört. In internen Berichten äußern sie Sorge über Facebooks Einfluss auf extremistische Aufstände, Proteste gegen Rassismus und der zunehmenden Desinformation rund um Wahlen und die Corona-Pandemie.
Ist Facebooks Namenswechsel ein Ablenkungsmanöver?
Zu den aktuellen Vorwürfen äußerte sich Zuckerberg während seiner Präsentation nicht. Umso mehr erscheint der Namenswechsel wie ein Versuch, von der aktuellen Situation abzulenken. Vergleiche zum Tabakkonzern Philip Morris sind naheliegend, der sich 2001 in Altria umbenannte. Unter anderem, um sich von negativen Assoziation zu trennen, die mit der Tabakindustrie einhergehen, wie die Verantwortlichen damals offen zugaben.
Auch bei Facebook könnte es ein gewünschter Nebeneffekt sein, wenn die Kritik sich künftig allein auf das soziale Netzwerk konzentriert und nicht auf die anderen Tochterfirmen und Bereiche des Unternehmens wie etwa Oculus oder Horizons. Oder anders gesagt: Durch eine neue Holdingfirma mit anderem Namen wird zumindest auf Geschäftsseite Distanz zu Facebook, dem sozialen Netzwerk, geschaffen. Denn tatsächlich ist es unwahrscheinlich, das hat das Beispiel von Google und Alphabet gezeigt, dass man künftig von Problemen bei Meta spricht, wenn es mal wieder um Facebook geht. Obwohl natürlich beides richtig wäre.
Das könnte sowohl den Investoren gefallen, als auch bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen, die nicht direkt für das Netzwerk arbeiten möchten. Und möglicherweise bereitet sich der Konzern bereits auf die nächste politische Regulierungsdebatte vor, die aufgrund der Enthüllungen in den USA bereits begonnen hat und in den kommenden Wochen und Monaten noch für weitere Anhörungen sorgen dürfte.
In der breiten Öffentlichkeit dagegen dürfte die Entscheidung wie eine Verzweiflungstat wirken, die einmal mehr unterstreicht, dass Facebook nicht in der Lage – oder nicht gewillt – ist, Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen, Einsicht und Demut zu zeigen und die Missstände innerhalb des Unternehmens zu beheben. Statt Lösungen für die Probleme im Hier und Jetzt zu suchen, erzählt man lieber von der Zukunft und all den tollen Dingen, die Facebook, Verzeihung, Meta, doch eines Tages den Menschen bringen wird. Und auch wenn der Namenswechsel über Monate hin geplant wurde, bleibt letztlich der Eindruck: Einen unpassenderen Zeitpunkt hätte es kaum geben können.
Namensänderung bei Facebook: Noch viele Meta zu gehen - ZEIT ONLINE
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