
Die Abkehr von fossilen Energieträgern dauert zu lange, mahnt die IEA
Foto: Construction Photography/Avalon / Getty ImagesDie Energiewende verläuft nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) weltweit viel zu langsam. Mit den derzeitigen Plänen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen gelänge der Weltgemeinschaft bis zum Jahr 2050 gerade einmal eine Verringerung von 40 Prozent, heißt es im neuen Jahresbericht der Behörde. Im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 ist für die Mitte des Jahrhunderts Treibhausgasneutralität festgeschrieben.
Es fehlen »klare Signale«
Innerhalb der nächsten zehn Jahre müssten sich die Investitionen mehr als verdreifachen, um die Klimaziele des Pariser Abkommens noch zu erreichen. »Etwa 70 Prozent dieser zusätzlichen Ausgaben müssen in Schwellen- und Entwicklungsländern getätigt werden«, sagte Fatih Birol, der Vorsitzende der Agentur.
»Klare Signale und Anweisungen vonseiten der Politik sind unerlässlich. Wenn der Weg vor uns nur mit guten Absichten gepflastert ist, wird es in der Tat eine holprige Fahrt«, heißt es in dem Bericht.
Der Bericht benennt auch erfreuliche Entwicklungen: Der Anteil an erneuerbaren Energien wie Wind- und Solarenergie sei im Jahr 2020 weiter gewachsen. Elektrofahrzeuge stellten neue Verkaufsrekorde auf. Diese Fortschritte reichten jedoch nicht aus, um die globalen Treibhausgasemissionen bis 2050 netto auf null zu bringen. Die »Hartnäckigkeit des Status quo« konterkariere diese Entwicklungen. Den Unterschied zwischen den derzeitigen Plänen und den erforderlichen Veränderungen bezeichnete die IEA in ihrem Bericht als »eklatant«.
Nach Angaben der IEA müssten Solar-, Wind- und Wasserkraft zusammen mit Bioenergie einen weitaus größeren Anteil an den Energieinvestitionen nach der Pandemie ausmachen als bisher. Die Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow von Ende Oktober bis Mitte November sei der »erste Test für die Bereitschaft der Länder, neue und ehrgeizigere Verpflichtungen im Rahmen des Pariser Abkommens von 2015 einzugehen.«
Zwei Szenarien, beide sind schlecht
Für ihre Berechnungen hat die IEA, die Industrieländer in Fragen der Energiepolitik berät, zwei Szenarien betrachtet. Das erste Szenario bezieht sich auf Maßnahmen, die von den Industriestaaten bereits umgesetzt wurden oder werden. Demnach ließe sich beinahe der gesamte zusätzlich Energiebedarf bis 2050 aus emissionsarmen Quellen decken. Die jährlichen Emissionen blieben wegen des Ausbaus der Energieinfrastruktur auf nationaler Ebene in Entwicklungsstaaten jedoch ungefähr auf dem Niveau von heute. Für dieses Szenario veranschlagt die IEA einen globalen Temperaturanstieg bis 2100 um 2,6 Grad im Vergleich zu vorindustrieller Zeit, mit womöglich katastrophalen Folgen.
Das zweite Szenario bezieht die Versprechen der Regierungen einiger Staaten mit ein, in absehbarer Zukunft Klimaneutralität zu erreichen. Hier geht die IEA von einer Verdoppelung der Investitionen in saubere Energien über die nächsten zehn Jahre aus. Setzt man voraus, dass diese Zusagen rechtzeitig und vollständig umgesetzt werden, würde die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen bis 2025 ihren Höhepunkt erreichen. Die weltweiten CO₂-Emissionen sänken bis 2050 um 40 Prozent. Dies würde den globalen Temperaturanstieg bis 2100 auf 2,1 Grad begrenzen.
Die IEA weist darauf hin, dass zusätzliche Investitionen weniger kostspielig sein könnten, als manche denken. »Mehr als 40 Prozent der erforderlichen Emissionsreduzierungen würden aus Maßnahmen stammen, die sich selbst tragen, wie die Verbesserung der Effizienz, die Begrenzung von Gaslecks oder die Installation von Wind- oder Solarenergie an Orten, an denen sie jetzt die wettbewerbsfähigsten Stromerzeugungstechnologien sind«, heißt es in dem Bericht.
»Der soziale und wirtschaftliche Nutzen einer beschleunigten Umstellung auf saubere Energien ist enorm, und die Kosten der Untätigkeit sind immens«, sagte der Chef der Behörde.
Die fossilen Brennstoffe Kohle, Erdgas und Öl machten im Jahr 2020 knapp 80 Prozent der weltweiten Energieversorgung aus. Der Anteil von erneuerbaren Energien lag lediglich bei zwölf Prozent.
Bericht der Internationalen Energieagentur: Die Energiewende erfordert dreimal so viel Geld - DER SPIEGEL
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