Großes Ego, viele Probleme – Seite 1
Dass Markus Söder fies sein kann, hat er in diesem Wahlkampf eindrucksvoll demonstriert. Kaum ein Interview ließ er verstreichen, ohne Armin Laschet vorzuführen oder zumindest anzudeuten, dass er der bessere Kandidat für die Union gewesen wäre. Söder ist berüchtigt für seine "Schmutzeleien", so nannte das Horst Seehofer mal.
Ob die Union wirklich so viel besser dastünde, wenn sie mit dem CSU-Chef angetreten wäre? Sicher ist: Der Wahlkampf wäre anders verlaufen. Söder wäre präsenter gewesen und prononcierter aufgetreten. Er hätte in hoher Frequenz schlagzeilenträchtige Thesen herausgehauen und Soforthilfeprogramme für dieses und jenes gefordert. Er wäre vielleicht nicht persönlich nach Kabul geflogen, hätte aber vermutlich genau gewusst, wie man den Flughafen der afghanischen Hauptstadt frei hält. Er hätte die Fluten der Ahr nicht umleiten können, aber doch schnell einen Aktionsplan mit knackiger Überschrift präsentiert. Den Impfmuffeln hätte er mit Spritze und Kamera aufgelauert.
Kein Zweifel: Söder ist schneller, entschiedener und aktionistischer als Laschet. Er hätte als Kanzlerkandidat aber auch mehr polarisiert. Grüne, Linke, Sozialdemokraten – und nicht zuletzt die FDP – hätten sich an ihm viel mehr gerieben. Eine Koalition mit ihm zu bilden, wäre den anderen schwerer gefallen als mit Laschet. Womöglich hätte Söder sie geradezu in eine Ampel getrieben.
Unbeliebtester Ministerpräsident der Republik
Gerne weist Söder auf seine hohen persönlichen Umfragewerte hin. Diese sind tatsächlich um Längen besser als die von Laschet. Auch im direkten Vergleich mit Scholz schneidet er laut einer aktuellen Forsa-Umfrage besser ab. In Bayern liegt Söder ebenfalls vor Scholz, wenn auch knapp. Aber Söder kennt auch das andere Extrem. Als er 2018 in Bayern zur Landtagswahl antrat, war er der unbeliebteste Ministerpräsident in der ganzen Republik. Das Wahlergebnis war das schlechteste seit Jahrzehnten für die CSU. Söders Imagewerte sind also keinesfalls gefestigt. Unter dem Dauerdruck einer Kanzlerkandidatur hätten sie sich auch schnell wieder verschlechtern können.
Dennoch ist es typisch, aber auch ein bisschen vermessen, wenn Söder nun für dieses Wochenende die "Trendwende" im Wahlkampf ausruft. Der Anlass: Seine CSU trifft sich zum Parteitag. Von Nürnberg soll ein Signal an die ganze Nation ausgehen, so hat es Söder in der ihm eigenen Bescheidenheit gefordert. Auch Laschet wird erwartet, er soll am Samstag eine Rede halten. Natürlich wird Söder ihn vordergründig unterstützen. Aber er wird auch mehr oder weniger subtil seine Überlegenheit demonstrieren wollen. Erinnerungen an Seehofer werden wach, der Angela Merkel mal auf offener CSU-Bühne bloßstellte – und sich damit selbst am meisten schadete.
Scheitert die CSU an der Fünf-Prozent-Hürde?
Auch die CSU hat am 26. September viel zu verlieren. Ihr droht ein historisch schwaches Ergebnis. Im aktuellen Bayerntrend kommt sie landesweit bloß noch auf 28 Prozent, während vor allem die SPD stark hinzugewinnt. Bundesweit würde die CSU damit erstmals nicht die Fünf-Prozent-Hürde überspringen. Die hätte sie erst bei einem Ergebnis von etwa 32 Prozent im Freistaat erreicht.
Droht also ein Bundestag ohne CSU, ohne bayerische Landesgruppe, ohne Gepolter und Gescherzel? Das zwar nicht. Sie wird viele Wahlkreise in Bayern gewinnen und über die Erststimmen einige Dutzend Direktkandidaten nach Berlin schicken. Aber es könnten weniger sein als zuletzt. Auch ihrer Hoheit in den Wahlkreisen kann sich die CSU nicht mehr so sicher sein wie früher. Mehrere Direktmandate gelten als umkämpft. In den Großstädten haben SPD und Grüne zugelegt.
Und auf dem Land gibt es mit den Freien Wählern eine (klein-)bürgerliche Konkurrenz, die sich in Bayern etabliert hat. Die Freien Wähler treten bundesweit an, haben sogar leichte Hoffnung, diesmal in den Bundestag einzuziehen. In den Umfragen kommen sie derzeit auf drei bis vier Prozent im Bund, in Bayern auf sieben. "Wir profitieren davon, dass viele mit den etablierten Parteien unzufrieden sind", sagt ihr Generalsekretär Gregor Voht im Gespräch mit ZEIT ONLINE. Er meint damit nicht zuletzt die Söder-CSU.
Der Kanzlerkandidat von 2025
Zu modernistisch, zu wetterwendisch, zu neoliberal empfinden viele Freie Wähler den Koalitionspartner in Bayern. Man selbst sei geerdeter als Söder, der mal Bäume umarmt und mal Kreuze an Amtsstuben nagelt, hört man aus dem FW-Lager.
Außerdem haben sie in ihren Reihen den prominentesten Impfgegner Bayerns: Parteichef Hubert Aiwanger ist stellvertretender Ministerpräsident. Von Söder wurde er als noch nicht Geimpfter "zwangsgeoutet", wie Generalsekretär Voht es nennt. Auch das haben ihm die Freien Wähler nicht vergessen. Gleichzeitig gelten sie als erste Alternative für jene, die mit Söders harten (und nicht immer konzisen) Corona-Maßnahmen fremdeln.
Laschet war’s
Genug Probleme also, die Söder selbst in Bayern hat. Klar ist trotzdem: Sollte die Union in zwei Wochen so stark verlieren, wie es derzeit aussieht, steht die Begründung jetzt schon fest: Laschet war’s. In der Union wäre Söder dann der starke Mann, selbst wenn, was derzeit kaum denkbar ist, Laschet Vizekanzler unter Olaf Scholz werden sollte. Söder wäre der erste Anwärter auf die Kanzlerkandidatur 2025.
Es kursieren sogar schon Gedankenspiele, dass die CSU nach der Wahl entweder die Schwesternschaft aufkündigen könnte oder – ein anderes Extrem – eine Fusion von CDU und CSU anstreben könnte. Diesmal ist Söder als Kanzlerkandidat am Vorstand der Schwesterpartei CDU gescheitert, in der er eine Mehrheit gegen sich hatte. Das soll nicht noch mal passieren.
Markus Söder: Großes Ego, viele Probleme | ZEIT ONLINE - ZEIT ONLINE
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