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Wednesday, September 1, 2021

Konfliktforscherin an Uni Leipzig: "Schlicht zu viele Leute profitieren von Krieg" - MDR

Frage: Heute ist Welttag des Friedens. Aber wir müssen über Krieg sprechen. Wie definieren Sie den als Konfliktforscherin?

Solveig Richter: Krieg ist eine Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln, hat der preußische Generalmajor Clausewitz einst gesagt. Dem kann man zustimmen oder nicht. Letztlich ist es eine Erklärung dafür, dass wir immer noch relativ viele Kriege und kriegerische Konflikte in der Welt haben. In der Politik geht es um Macht, um Zugang zu Ressourcen. Es geht um Ideologie. Wenn politische Mittel nicht ausreichen, wird immer noch auf Gewalt zurückgegriffen. Man muss aber auch sagen, dass Gewalt auch das letzte Mittel ist, beispielsweise für Schwächere gegen Diktaturen zu kämpfen oder im Kampf gegen Terroristen. Manchmal ist eben auch eine militärische Auseinandersetzung zum Schutz von Zivilisten und zum Schutz von Menschenrechten eine wichtige Sache.

Warum ist Krieg heutzutage noch aktuell?

Man darf nicht vergessen, dass viele vom Krieg profitieren, etwa der militärisch-industrielle Komplex. Er macht damit Geld, auch Drogenmilieus und Drogenbanden, die davon sehr viel profitieren. Es gibt zahlreiche Gründe, dass wir heute, zum Weltfriedenstag, leider noch nicht davon reden können, dass Krieg Geschichte ist. Es gibt schlicht zu viele Leute, die davon profitieren. Die blutigen Auseinandersetzungen in der Welt haben sich verändert. Trotz allem gibt es insgesamt weniger Kriegstote als früher.

Aktuelles Beispiel: In Afghanistan hat der Westen 20 Jahre lang investiert. Am Ende bröckelt das innerhalb von ein paar Tagen gefühlt weg. Was kann man daraus lernen? Wie schätzen Sie das ein?

Da muss man ein bisschen unterscheiden, was mir in der Diskussion zu wenig gemacht wird. Es geht um den rein militärischen Kampfeinsatz, der gegen die Terroristen gerichtet war und um die Verschränkung des Militäreinsatzes mit klassischer Entwicklungszusammenarbeit und Demokratieförderung. Von einem vollständigen Scheitern zu sprechen, halte ich für verfehlt. Es hat sich wahnsinnig viel in den vergangenen 20 Jahren getan.

Klar, ein überstürzter Abzug der Truppen, so, wie er jetzt passiert ist, hinterlässt eine desaströse Sicherheitslage. Wir wissen eben auch, dass Sicherheit Grundvoraussetzung dafür ist, dass es zu Entwicklungsfortschritten kommen kann. Deswegen halte ich auch das Bild, der Westen habe mit seinen Mitteln in Afghanistan versagt, für ein bisschen fehlgeleitet. Man hat schon Einiges erreicht. Man hat eine Generation der jungen Afghanen aufgebaut, die sich auch mit Frauenrechten und Demokratieförderung identifizieren kann. Aber es bleibt natürlich eine sehr, sehr traditionell geprägte Gesellschaft, die an traditionellen Bünden orientiert ist, stärker, als wir das hier bei uns kennen.

Hat man den Menschen nicht zu viel versprochen? Oder Versprechen gegeben, die man nicht gehalten hat?

Ja, das könnte man zum Teil so sehen. Zumindest hat man Unterstützung versprochen, die man jetzt nicht leistet. Unterstützung nicht nur in militärischer und sicherheitspolitischer Hinsicht, sondern gerade Unterstützung für jene, die sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben. Da kann ich schon verstehen, wenn sie jetzt von einem Dolchstoß sprechen, dass sie sich völlig ohne Rückhalt in ihrem eigenen Land fühlen. Das sehen wir übrigens nicht nur in Afghanistan. Das sehen wir in vielen anderen Ländern, ob das Belarus ist oder anderswo. Diejenigen, die sich in ihren Ländern für gesellschaftlichen Fortschritt oder Wandel einsetzen, fühlen sich ein Stück weit allein gelassen.

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