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Sunday, July 25, 2021

Existenzgründer in der Krise: Der Corona-Albtraum der Selbstständigen | tagesschau.de - tagesschau.de

Stand: 26.07.2021 05:51 Uhr

Viele der rund vier Millionen Selbstständigen in Deutschland hat die Corona-Pandemie an den Rand der Existenz gebracht. Besonders hart getroffen wurden oft Frauen. Experten sehen Mängel bei den Hilfspaketen.

Von Janine Hilpmann, hr

2020 sollte Katharina Löbls Jahr werden. Drei Jahre zuvor hatte sie ihre sozialpädagogische Eventagentur "Ankaro" für Kinder und Jugendliche gegründet. Familienfeste, Kindergeburtstage, Babyparties: Die Agentur der gebürtigen Frankfurterin war auf Wachstumskurs. Katharina Löbls Auftragsbuch war bis Ende 2020 komplett voll. "Endlich wollte ich die Früchte ernten, die ich über die ersten harten Start-up-Jahre gesät hatte", erzählt die studierte Sozialpädagogin. Doch die Coronakrise ließ ihr Geschäftsmodell innerhalb weniger Wochen zusammenbrechen. Sie habe sich in dieser Zeit hilflos, kraftlos und überfordert gefühlt. An manchen Tagen habe sie Angst gehabt ihr E-Mail-Postfach zu öffnen.

Janine Hilpmann
Janine Hilpmann

Starke Einkommensverluste

Wie Löbl ging es vielen Selbstständigen in den vergangenen Monaten. Mehr als die Hälfte aller Selbstständigen in Deutschland musste laut einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Frühjahr 2020 starke Einkommensverluste verkraften. Darunter branchenbedingt mehr Frauen (63 Prozent) als Männer (47 Prozent).

In Nicht-Corona-Zeiten sind nach Angaben des DIW rund 85 Prozent aller Selbstständigen auch im Folgejahr noch selbstständig tätig. Doch von 2019 auf 2020 sank dieser Anteil auf 74 Prozent. Ähnlich sieht es auch ein Jahr später aus.

Depressionen und Angstsymptome als Folgen

Besonders selbstständige Frauen mussten aufgeben, weil sie "häufiger in stark von der Pandemie betroffenen Branchen tätig sind", sagt DIW-Forscher Alexander Kritikos. Er stellt klar, dass es nicht daran liege, dass Frauen schneller aufgäben oder weniger überlebensfähig seien. Der Grund sind die finanziellen Einbußen, die mit der Arbeit der Selbstständigen einhergehen. Angstsymptome und Depressionen sind laut Kritikos die Folge.

Viele Unternehmerinnen und Unternehmer sind an ihre Rücklagen gegangen oder haben ihre Altersvorsorge aufgebraucht: So erlebt Ellen Bommersheim vom Zentrum für Existenzgründungen "Kompass" die Lage der Selbstständigen. Es fehle an Liquidität.

Lage für Solo-Selbstständige besonders prekär

Besonders angespannt ist die Situation bei den Solo-Selbstständigen. Denn Zuschüsse gab es bei den meisten Hilfen des Bundes ("Soforthilfe", "Überbrückungshilfe") in erster Linie auf fixe Betriebskosten. Davon haben aber Solo-Selbstständige kaum welche. Kritiker halten das für eine fatale Fehlplanung des Bundes, der diese seit Anfang dieses Jahres auszubügeln versucht.

Inzwischen gibt es die sogenannte "Neustarthilfe", bei der unter anderem Solo-Selbstständige 7500 Euro für den Zeitraum von Januar bis Juni dieses Jahres erhalten. Auch die gerade angelaufene "Neustarthilfe Plus" ist ein ähnliches Förderprogramm für die kommenden Monate Juli bis September. Doch diese Hilfe kommt reichlich spät - für viele zu spät. Laut Bundesagentur für Arbeit haben seit April 2020 bis Juni 2021 132.000 Selbstständige Hartz IV beantragen müssen.

Forderung nach nachhaltigen Hilfen

Die neuen Hilfspakete des Bundes stoßen in der Branche auf Kritik. Statt den Solo-Selbstständigen eine Vielzahl von Programmen anzubieten, hält es DIW-Forscher Kritikos für sinnvoller, ein einziges fortlaufendes Programm für die weitere Zeit der Corona-Pandemie zu entwickeln. Bei Umsatzeinbußen könnte dies zuverlässig Unterstützung liefern und unabhängig von Betriebskosten den Lebensunterhalt decken. Ähnlich sieht das auch Expertin Bommersheim. Sie fordert, dass "nachhaltigere Instrumente entwickelt werden, um sozial- und wirtschaftspolitisch auf exogene Schocks wie Pandemien reagieren zu können".

Ihre Selbstständigkeit aufgeben musste Katharina Löbl nicht. Inzwischen füllt sich ihr Auftragsbuch wieder. Doch die vergangenen Monate hat sie gespart, wo sie konnte. Zeitweise zog sie wieder bei ihren Eltern ein, um keine Miete zahlen zu müssen. Auch sie fordert mehr von der Politik. Die Neustarthilfe sei zwar ein guter Anfang, allerdings sehr niedrig angesetzt und daher nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

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