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Friday, June 4, 2021

Wochenrückblick KW22: Zu viele Staatstrojaner und ein paar digitale Spürhunde - Netzpolitik.org

Die KW 22 hat mit brisanten Enthüllungen über geheimdienstliche Überwachung begonnen: Der Dänische Geheimdienst hat dem US-Geheimdienst NSA geholfen, EU-Spitzenpolitiker*innen abzuhören. „Dass der neuerliche Skandal nur die Spitze des Eisbergs ist, braucht man nicht mal mehr zu betonen, weil es ohnehin jeder weiß“, kommentiert Constanze Kurz dazu. Schließlich spioniert auch der deutsche Geheimdienst BND seine Freunde aus. Das Problem liegt darin, dass niemand die aufgeblähten Geheimdienstapparate kontrolliert.

Noch mehr Überwachung

Überwachen wollen aber nicht nur die Geheimdienste, sondern auch die Polizei, offenbar am liebsten mit Staatstrojanern. Die sind „so gefährlich, dass sogar Facebook und der CCC einer Meinung sind“, sagt der Chaos Computer Club selbst zu der ungewöhnlichen Allianz, die weitere zivilgesellschaftliche Organisationen und Unternehmen eingegangen sind, um einen offenen Brief an die Bundesregierung zu richten. Sie wollen durchsetzen, dass diese auf Staatstrojaner im Rahmen von Verfassungsschutzgesetz und Bundespolizeigesetz verzichtet.

Auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) will gegen Staatstrojaner vorgehen. Sie hat zusammen mit weiteren Kläger*innen Verfassungsbeschwerde gegen das Polizeigesetz Mecklenburg-Vorpommerns eingereicht. Denn eine Gesetzesänderung hat der Polizei weitreichende Überwachungsbefugnisse gegeben, die Grundrechte verletzen, meint die GFF.

Neben Staatstrojanern ist auch die Gesichtserkennung ein beliebtes Überwachungsinstrument. Matthias Monroy berichtet, dass die Kriminalämter und Bundespolizei die Zahl der identifizierten Personen durch Fotos, zum Beispiel aus sozialen Netzwerken, jährlich verdoppeln.

Gesichtserkennungssoftware nutzt auch die New Yorker Polizei. Eine Crowd-Recherche von Amnesty International hat die Kameraüberwachung in einigen Stadtteilen systematisch kartografiert und konnte mehr als 15.000 Kameras entdecken. Freiwillige unterstützten die Recherche, indem sie in Aufnahmen von Google Street View nach Überwachungskameras suchten.

Ein bisschen mehr Transparenz, bitte

Wie jeden Monat haben wir im April wieder unsere Einnahmen und Ausgaben offengelegt. 10.000 Euro erreichten uns über eine Einnahmequelle gemeinnütziger Organisationen, die nur wenigen bekannt ist: „Die Zahlung einer Auflage/eines Bußgeldes durch den Delinquenten“ in einem Strafverfahren. „Diese Menschen überweisen uns kein Geld, weil sie unsere Arbeit toll finden, sondern weil das Rechtssystem eine Sanktion für sie vorgesehen hat“, schreibt Stefanie Talaska über ihr ambivalentes Gefühl dabei.

Mehr Transparenz wünschen wir uns von der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS). Die Hacker-Behörde wurde nicht durch einen Beschluss der Bundesregierung oder des Bundestages gegründet, sondern durch einen vagen Erlass des Innenministeriums. Ein Rechtsgutachten eines Jura-Professors dient der Behörde als Grundlage zum Verständnis ihres Auftrages und ihrer Aufgaben. Dieses Gutachten will die ZITiS nicht herausgeben. „So einfach lassen wir uns nicht abwimmeln“, schreibt Andre Meister. Deswegen haben wir gemeinsam mit FragDenStaat.de eine Informationsfreiheits-Klage gegen ZITiS vor dem Verwaltungsgericht München eingereicht.

Ziemlich intransparent ist Google dabei, welche Daten von Nutzer*innen der Konzern erfasst und speichert. Das geht aus frisch entschwärzten Dokumenten einer Klage des Generalstaatsanwalts aus Arizona gegen Google hervor. Der Konzern habe illegal Standortdaten seiner Nutzer*innen gesammelt und die Datenschutzeinstellungen auf Android-Smartphones absichtlich versteckt, wirft der Kläger vor.

Einstellungen zum Datensammeln irgendwo hinter vielen Klicks verstecken – das machen auch viele europäische Websites gerne in ihren Cookie-Bannern. Die sind oft so unübersichtlich gestaltet, dass Nutzende aus Bequemlichkeit einfach zustimmen, obwohl sie das gar nicht möchten. In einer groß angelegten Beschwerde-Kampagne geht die Datenschutz-NGO noyb nun gegen diese, ihrer Ansicht nach rechtswidrigen Cookie-Banner vor.

Intransparent ist auch WhatsApp angesichts der Sperrungen einzelner Accounts von Journalist*innen, die in Palästina arbeiten. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hat das zu Facebook gehörende Unternehmen aufgefordert, transparent zu machen, warum die Accounts gesperrt wurden und Möglichkeiten zu schaffen, wie die Betroffenen sich dagegen wehren können. RSF geht davon aus, dass möglicherweise Moderationsregeln gegen Terrorismus gegriffen haben, wenn die Journalist*innen in Chat-Gruppen mit Hamas-Vertreter*innen waren.

Die Bundestagswahl rückt näher und damit auch der Wahlkampf im Netz – zum Beispiel bei TikTok. Offiziell verbietet TikTok politische Werbung zwar, doch Influencer*innen kennzeichnen nicht immer, von wem sie Geld bekommen, um bestimmte Standpunkte zu verbreiten. Die Mozilla Foundation kritisiert die Videoplattform für ihre Intransparenz.

Neue und alte EU-Verordnungen

Transparenz allein reicht der Bundesregierung bei personalisierter Werbung, die sich an Minderjährige richtet, nicht mehr. In Brüssel wird hinter verschlossenen Türen über das Digitale-Dienste-Gesetz verhandelt. Geleakte Papiere aus den Gesprächen zeigen, dass die deutsche Regierung den Einsatz von Werbe-Targeting und Empfehlungsalgorithmen zumindest bei Kindern und Jugendlichen im Rahmen des neuen Gesetzes verbieten möchte.

Auch Tomas Rudl hat sich in dieser Woche mit dem neuen Gesetz für digitale Dienste beschäftigt und deutsche EU-Abgeordnete zu den Details der Vorschläge befragt. Ein erster Entwurf des federführenden Ausschusses sieht Mechanismen vor, die denen des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ähneln. Zum Beispiel sind kurze Löschfristen für illegale Inhalte im Gespräch.

Die EU möchte eine sogenannte digitale Brieftasche schaffen: Führerschein, Studienabschlüsse und Zahlungsdaten sollen in dem elektronischen Identitätsnachweis hinterlegt werden, mit biometrischen Merkmalen sollen Nutzende sich einloggen können. Genauere technische Details gab es zur eID aber noch nicht.

Technisch fertiggestellt hat die EU-Kommission zum Monatsbeginn ihre Schnittstelle für das EU-weite COVID-Zertifikat. Das soll über einen QR-Code grenzübergreifend überprüfbar machen, ob eine Person geimpft, negativ getestet oder genesen ist. Die ersten sieben Mitgliedsstaaten haben sich mit ihrem nationalen digitalen Nachweis schon angeschlossen, auch Deutschland. Hier gibt es den digitalen Impfnachweis aber bisher nur in wenigen Testprojekten.

Außerdem machen sich die EU-Institutionen auf Personalsuche nach hochrangigen Sicherheitsberater*innen. Der Rat will den Posten zur Anti-Terrorismus-Koordination neu besetzen. Das Amt beinhaltet eine enge Abstimmung mit Geheimdiensten und wird in seiner neuen Besetzung auf den Bereich Cybersicherheit ausgedehnt. Auch die Kommission will demnächst eine neue Stelle zur Koordination der Terrorismusbekämpfung schaffen.

Alexander Fanta berichtet in dieser Woche über eine EU-Verordnung, die vor 20 Jahren in Kraft getreten ist. Sie soll den Zugang zu amtlichen Dokumenten garantieren und hat über die Jahre zu mehr Transparenz verholfen. Dennoch könnte es um die Informationsfreiheit besser stehen: Oftmals kosten die Auskünfte Antragsteller*innen Geld, viel Wartezeit oder Hartnäckigkeit vor Gericht.

Daten in der Migrationspolitik

Sophie-Anne Bisiaux und Lorenz Naegeli schreiben in ihrem Gastbeitrag darüber, wie die EU ihre Grenzen auslagert und den Westbalkan zum Standort für Aufnahme- und Abschiebezentren macht. Schon jetzt werden dort biometrische Daten über Migrant*innen erfasst. Die EU plant offenbar den Informationsaustausch mit den Balkanstaaten über diese Daten zu verstärken und neue Datenbanken aufzubauen.

Auch sonst rüstet die EU ihre Grenzüberwachung auf und finanziert Forschungsprojekte zu teilautonomen Drohnen zur „Überwachung von Grenzen und Migrationsströmen“, schreibt Matthias Monroy. Paradoxerweise kritisiert die Kommission gleichzeitig die griechische Grenzpolizei für ihren Einsatz von Schallkanonen und Drohnen an einem neuen Grenzzaun.

Vom Verwaltungsgericht Berlin kommt in dieser Woche jedoch ein wichtiges Signal für die Grundrechte Schutzsuchender, berichtet Anna Biselli. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat zu Unrecht das Handy einer Geflüchteten ausgelesen, so das Gerichtsurteil. Die Handyauswertung ist jedoch eine gängige Praxis des BAMF und betrifft Tausende Geflüchtete in Deutschland. Zwei weitere Urteile in Hannover und Stuttgart stehen noch aus.

Die schleppende Digitalisierung in Deutschland

Die größte Organisation der digitalen Zivilgesellschaft im deutschsprachigen Raum hat eine neue Führungsspitze: Christian Humborg und Franziska Heine leiten nun Wikimedia Deutschland. Markus Beckedahl hat mit den beiden über aktuelle Entwicklungen der Organisation, die Digitalpolitik der Bundesregierung und neue Herausforderungen gesprochen. Ein Punkt dabei: Deutschlands Hinterherhinken in der digitalen Bildung.

Dieser Rückstand wurde in der Pandemie noch deutlicher zum Verhängnis, deshalb wollte der Bund den Schulen mit drei Zusatzprogrammen unter die Arme greifen und hat Geld für neue Laptops für Schüler*innen, Lehrkräfte und IT-Administration bereitgestellt. Unsere Anfrage an alle 16 Kultusministerien hat gezeigt: Die Umsetzung der Corona-Hilfen läuft schleppend.

Da ist das Ergebnis einer Studie der Lehrer*innengewerkschaft GEW, die sich Markus Reuter angeschaut hat, nicht überraschend: Der aktuelle Digitalisierungsschub bringt deutsche Schulen langsam auf den internationalen Stand von 2018.

Auf welchem Stand die Internetversorgung in manchen Gebieten Deutschlands ist, lässt sich wahrscheinlich nicht so genau datieren. Der Infrastrukturminister Andreas Scheuer will jedenfalls nun auf eine Brückenlösung setzen, um schnelles Internet in unterversorgte Randgebiete zu bringen. Haushalte können dort künftig staatliche Zuschüsse in Höhe von 500 Euro für Satellitenlösungen bekommen.

Wenn das schnelle Internet dann da ist, kann auch funktionieren, was Katharina Haverich und Holger Heißmeyer ausprobiert haben: In ihrem Gastbeitrag schreiben sie über verschiedene Möglichkeiten, Theater in Virtual-Reality-Räumen umzusetzen.

Neues von ARD und ZDF

In seiner Reihe „Neues aus dem Fernsehrat“ sucht Leonhard Dobusch in dieser Woche nach Fragen an die beiden Kandidat*innen für die Nachfolge von Thomas Bellut als Intendant des ZDF. Zur Option stehen Tina Hassel, die zurzeit noch das ARD-Hauptstadtstudio leitet, und Norbert Himmler, der momentan Programmdirektor des ZDF ist.

Die Tagesschau hatte während eines Nachrichtenblocks ein Hintergrundbild eingeblendet, auf dem ein kleines Graffito mit den Buchstaben „FCK AFD“ zu erkennen ist. Danach tauschte die Redaktion das Hintergrundbild in der Webversion aus, in der Version in Gebärdensprache retuschierte sie es. Das verletzt journalistische Grundsätze und ist „eine falsch verstandene Auffassung von Neutralität“, kommentiert Markus Reuter dazu.

Gegen Verschwörungsmythen und unnötiges Datensammeln

Während der Coronakrise sind verschiedene Grundrechte zugunsten des Infektionsschutzes eingeschränkt worden. Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben sich diese Einschränkungen genauer angeschaut. Sie üben Kritik am Druck auf die Versammlungsfreiheit, an der weltweiten ungerechten Impfstoffverteilung und an der Benachteiligung von Minderheiten durch bestimmte Corona-Schutz-Maßnahmen.

Allmählich werden diese und andere Maßnahmen wieder zurückgeschraubt. Dabei spielen die Schnelltests eine wichtige Rolle. Testzentren gibt es mittlerweile zumindest in Großstädten an jeder Ecke. Dort werden dann häufig aber viel mehr Daten als eigentlich nötig erfasst. Markus Beckedahl schreibt: „Deine Personalausweisnummer geht niemanden etwas an“ und gibt einen Tipp, wie man sich dagegen wehren kann.

Seit Beginn der Pandemie haben verschiedene Verschwörungstheorien immer mehr Anhänger*innen gefunden. Nun gibt es einen deutschsprachigen Kanal auf Reddit, auf dem sich Freund*innen und Angehörige von Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, austauschen können. Denise Stell hat sich diesen Kanal genauer angeschaut.

Und sonst so?

Das Saarland will seine Polizei mit mehr als 25 Millionen Euro digitaler machen und ein eigenes Cyber-Abwehrzentrum aufbauen. Der saarländische Innenminister verspricht dafür zwar keine neuen Datenautobahnen, aber immerhin digitale Spürhunde und Datenwaschmaschinen.

Das war also die netzpolitische Woche im Schleudergang und bevor die Metaphern noch abenteuerlicher werden, verabschieden wir uns lieber und wünschen ein schönes Wochenende!

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