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Monday, June 28, 2021

Attentäter von Würzburg: Für viele ist Fall sofort klar - das muss sich ändern - FOCUS Online

"Psychisch krank" oder "Extremist"?: Vergiftete Debatte um den Würzburg-Attentäter: Was viele bei ihrem Urteil übersehen

Montag, 28.06.2021, 18:37

Dass es sich bei dem Attentäter von Würzburg mutmaßlich um einen zugewanderten islamistischen Terroristen handelt, schürt Emotionen und Ressentiments. Umso wichtiger ist ein differenzierter Blick auf die schockierende Tat.

Am vergangenen Freitag um 17.00 Uhr betritt ein Mann das Woolworth-Kaufhaus in der Würzburger Innenstadt, um sich ein Messer mit einer 13 Zentimeter langen Klinge zu kaufen. Wenig später sind drei Frauen tot, grausam ermordet auf offener Straße.

Zu diesem Zeitpunkt ist die Schreckenstat von Würzburg rein das: eine Schreckenstat. Als jedoch im Laufe des Abends aus dem Mann der 24-jährige Somalier Abdirahman J. mit psychischen Auffälligkeiten wird, der während seiner Tat "Allahu akbar“ gerufen haben soll, greifen rasch die üblichen Mechanismen. Die Politisierung nimmt ihren Lauf. Die AfD ätzt noch am selben Abend von „Messereinwanderung“. Von der anderen Seite wird der Vorwurf laut, die psychische Vorbelastung eines Täters werde bei Ausländern kaum berücksichtigt. Immer handle es sich gleich um Islamismus.

Psychisch krank oder Islamist? Debatte um Motiv des Würzburger Attentäters greift zu kurz

Dabei wird von beiden Lagern allzu oft eine Dichotomie heraufbeschworen, die es so meist gar nicht gibt.  Denn in den seltenesten Fällen sind Täter von Hassverbrechen "nur psychisch krank" oder "nur Extremist", sagt der Marburger Sozialpsychologe Ulrich Wagner gegenüber FOCUS Online. "In der Regel existieren sogenannte Motivationsbündel bei den Tätern. Psychische Probleme oder Erkrankungen vermischen sich mit sozialen Einflüssen." Und: „Eine Einteilung in Schwarz und Weiß lässt sich daher nur selten vornehmen“, so Wagner.

Dementsprechend schwer tat sich auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bei der Benennung des Tatmotivs vom Freitag. Keinesfalls sollte ein islamistischer Terrorakt als bloße Tat eines Verrückten heruntergespielt werden, gleichzeitig hütete sich der Minister davor, den Attentäter vorschnell als Islamisten zu deklarieren. "Es schließt sich auch nicht unbedingt gegenseitig aus“, sagte Herrmann noch verhalten auf der Pressekonferenz am Samstag. Erst am Montagmorgen, als erste Hintergrundinformationen über den Täter ausgewertet wurden, legte er nach: "Vieles spricht für eine islamistisch motivierte Tat“.

Bluttaten lassen sich nur verhindern, wenn man differenziert auf das Motiv blickt

Die Frage, ob ein psychisch kranker Mensch gleichzeitig auch ein politisch oder religiös motivierter Terrorist sein kann, ist nicht nur für die unseriösen Streitereien an den politischen Rändern relevant. Eine differenziertere Betrachtung ist vor allem deswegen notwendig, um in Zukunft Bluttaten wie die in Würzburg präventiv verhindern zu können.

Psychische Probleme stünden einer Radikalisierung oft voran. Nur wer diese Verquickung erkenne, könne die entsprechenden präventiven Maßnahmen ergreifen, meint Sozialpsychologe Wagner. Bei psychischen Problemen müsse der Staat frühzeitig gegensteuern. Sei ein potentieller Täter jedoch bereits dabei, sich politisch oder religiös zu radikalisieren, müssten Ausstiegsmöglichkeiten geschaffen werden. „Das sind jedoch zwei unterschiedliche Ansätze“, sagt Wagner.

Besonders heikel ist die Situation bei Migranten, die in Deutschland nur geduldet sind. Immer wieder wurden in der Vergangenheit Attentäter von den Behörden unter diesem Aufenthaltsstatus geführt. Auch für Abdirahman J. trifft dies nun zu. Für den bayerischen Innenminister Grund genug, „den subsidiären Schutz“ in Deutschland zu hinterfragen. "Es wäre klug", so der Minister, wenn man sich nach der Bundestagswahl in der Bundesregierung überlege, ob das „auf Dauer so bleiben kann.“

Wagner sieht hingegen den Staat bei der Prävention innerhalb dieser Gruppe gefordert. Gerade wenn Geduldete bereits volljährig seien, falle die soziale Unterstützung für diese Menschen mitunter sehr gering aus. Die Perspektivlosigkeit mache die Menschen, vor allem junge Männer, anfällig für psychische Krankheiten und damit eben auch für radikale Indoktrinierung. Dies tauge zwar nicht als Entschuldigungen, aber eines müsse klar gesagt werden: „Möchte ein Staat solche Gewalttaten wie in Würzburg präventiv verhindern, ergibt es keinen Sinn, nur darauf zu warten, bis die Menschen abgeschoben werden können.“

Auch die Zahlen lassen kein einfaches Schwarz-Weiß-Denken zu

Und doch emotionalisiert die Tat von Würzburg aufgrund ihrer unbegreiflichen Brutalität. Gängige Ressentiments sind schnell bei der Hand, ganz gleich ob der Täter nun primär als psychisch Kranker oder Islamist eingestuft wird. Ein nüchterner Blick auf die Zahlen hilft jedoch dabei, die Debatte um überbordende Gewalt durch Zugewanderte nüchtern zu bewerten.

Nach Informationen von FOCUS Online zählten die deutschen Polizeibehörden von 2016 bis 2020 insgesamt rund 2000 Tötungsdelikte (exakt 1989 aufgeklärte Fälle), bei denen mindestens ein Zuwanderer als Tatverdächtiger ermittelt wurde. In die Bilanz flossen alle versuchten und vollendeten „Straftaten gegen das Leben“ ein, darunter Mord, Totschlag und fahrlässige Tötung. Als Zuwanderer gelten Ausländer, die mit dem Status „Asylbewerber“, „Kontingentflüchtling“, „Duldung“ oder „unerlaubter Aufenthalt“ registriert wurden. Bei einer Gesamtzahl von 14.645 Vergehen entspricht das einem Anteil von 13,5 Prozent. Das ist viel.

Gleichzeitig stellt der Anstieg der Fallzahlen bei den schwersten aller Verbrechen, den Straftaten gegen das Leben, eine Ausnahme in der BKA-Bilanz für das Jahr 2020 dar. In allen anderen Bereichen ging die Kriminalität durch Zuwanderer nämlich zurück. In seiner Gesamtbewertung kommt das BKA zu dem Schluss, dass sich die Zuwanderung von Asylsuchenden auch im Jahr 2020 auf die Kriminalitätslage in Deutschland ausgewirkt hat. Der Trend sowohl bei der Zahl der Straftaten als auch bei der Tatverdächtigenzahl sei jedoch „deutlich rückläufig“.

Der Fall in Würzburg macht wieder einmal deutlich, dass Pauschalisierungen der Debatte um Gewalttaten durch Zuwanderer nicht gerecht werden. Weder im Streit um Motive noch um die allgemeine Gewaltbereitschaft gibt es einfache Antworten. Nüchternheit bleibt somit trotz der aufwühlenden Bilder aus Würzburg das Gebot der Stunde.

BKA-Papier zeigt wahres Ausmaß der Zuwanderer-Kriminalität

 

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