Eine neue Rechtsform für Unternehmen, insbesondere aus der Startup-Szene, macht gerade Schlagzeilen. Das Verantwortungseigentum, inzwischen formuliert als „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“, könnte eine Alternative zu herkömmlichen Inhaberstrukturen in vielen Unternehmen werden. Aktuell hat man den Eindruck, dass verschiedene Parteien in ihrer Wirtschaftspolitik das Thema für sich entdecken. Doch was steckt eigentlich dahinter und wie zukunftsversprechend ist das Konstrukt?
Für die Befürworter (etwa die Stiftung Verantwortungseigentum, die sich als eine Art Sprachrohr für die Idee etabliert hat) gilt das Verantwortungseigentum als nächstes Level der Unternehmenskultur, wobei „Purpose, also Unternehmenszweck oder Haltung nicht als bloßer Layer über ein Unternehmen drübergelegt wird, sondern direkt zur DNA dazugehört“. Eingereicht wurde kürzlich ein erster Vorschlag für die Schaffung der neuen Rechtsform, hinter dem nach Angaben der Initiative 600 Unternehmer stehen.
Die Initiative, die aus der Startup-Richtung, aber auch aus dem klassischen Mittelstand kommt, will – ähnlich wie dies ja bereits viele Familienunternehmen tun – zeigen, dass sie langfristig und nachhaltig denken und handeln. Es handelt sich dabei um eine Mischung aus Stiftung und GmbH. Zu den Grundprinzipien zählt die Idee, dass das Vermögen an ein Unternehmen gebunden bleibt und somit auch das Unternehmen dauerhaft weitergeführt werden kann. Dabei bleibt die Mehrheit der Stimmrechte in den Händen von Personen, die die Werte des Unternehmens vertreten, und das Unternehmen gehört quasi „sich selbst“. Eine automatische Vererbung gibt es dabei nicht, wohl aber eine Weitergabe oder Vererbung innerhalb einer Art Werte-Familie.
Kritik gab es dafür von manchen Familienunternehmern, die anmerken, dass hier ein Privileg der Familien, das sich auch in Vorteilen bei Erbschaften niederschlägt, ausgehöhlt werde. Den Befürwortern geht es dagegen darum, die Kontrolle über ein Unternehmen bei dem Personenkreis zu belassen, der das Unternehmen langfristig geführt hat und den Idealen einer Firma verbunden ist.
Der andere Teil des Deals verbirgt sich hinter dem Schlagwort Asset Lock: Das bedeutet, dass Gewinne nicht als Selbstzweck eines Unternehmens verstanden werden, sondern als Mittel zur Weiterführung und zum Wachstum im Sinne der Unternehmensziele. Kehrseite der Medaille ist, dass die Vermögenswerte des Unternehmens nicht dem persönlichen Vermögen der Eigentümer zugeschlagen werden können. Die Gewinne würden vielmehr im Unternehmen verbleiben und reinvestiert oder bestenfalls im Sinne des Unternehmenszwecks gespendet. Welche Konditionen für letztere Variante möglich sind, muss erst noch diskutiert werden.
Aus der Idee des Verantwortungseigentums wurde im Verlauf der bisherigen Verhandlungen das Konstrukt einer „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“, das sich inhaltlich aber in ähnlichen Zielsetzungen bewegt. Prinzipiell ist das Verantwortungseigentum also eine aufgebohrte Form des Familienunternehmens, wobei die Zielsetzung, eigenständig im Sinne des Unternehmensziels zu wirtschaften, nicht an ein genetisch vererbbares Familienkonstrukt gebunden ist. Die Eigentümerfamilie, wie es sie in zahlreichen Clans der deutschen Wirtschaftsgeschichte gibt, wird vielmehr ersetzt durch eine, wie die Initiatoren es formulieren, „Fähigkeiten- und Werte-Verwandtschaft“. „Wir, als Unternehmen in Verantwortungseigentum, sind überzeugt, dass es im gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Interesse ist, diesen Unternehmenstypus zu fördern und bekannter zu machen“, erklärt die Stiftung, die die dafür nötigen Rahmenbedingungen schaffen will.
Wahrscheinlich ist der Zeitpunkt, um das Thema auf die politische Agenda zu bringen, geschickt gewählt: Denn im Wahlkampf kommt ein solches Narrativ, mit dem sich Politiker sämtlicher Parteien als fortschrittlich und wirtschaftsfreundlich präsentieren können, gut an. Am vergangenen Mittwoch äußerten sich Armin Laschet und Olaf Scholz, die Kanzlerkandidaten von Union und SPD, Robert Habeck und Christian Lindner, die Parteichefs der Grünen und der FDP, sowie Friedrich Merz vom CDU-Wirtschaftsrat zu dem vorliegenden Gesetzentwurf für eine „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“. Das Allensbach-Institut hat eine dazu passende Umfrage unter mittelständischen Familienunternehmen durchgeführt, in der 72 Prozent die Einführung einer entsprechenden neuen Rechtsform befürworten. „Die Ergebnisse zeigen, dass die langfristige Sicherung des Unternehmens die meisten Familienunternehmen intensiv beschäftigt und dass sie mehr Optionen haben möchten, um diese Zukunft nach ihren Vorstellungen zu regeln“, sagte Allensbach-Chefin Renate Köcher.
So haben laut der Befragung bisher nur 40 Prozent der befragten Unternehmen den Übergang in die nächste Generation bereits geregelt; fast genauso viele (37 Prozent) dagegen noch nicht – obgleich in den kommenden Jahren die Nachfolgefrage akut wird. Dabei halten insgesamt nur zehn Prozent einen Verkauf für ideal, während für 33 Prozent ein führender Mitarbeiter eine gute Lösung wäre. Für diese Unternehmen kann Verantwortungseigentum eine passende Option sein, auch weil immer seltener Nachfolgerinnen oder Nachfolger innerhalb der genetischen Familie gefunden werden. Etwas anders gelagert ist die Situation bei Startups: Diese denken oft nicht so langfristig über Jahrzehnte, könnten von der Idee aber durchaus auch profitieren.
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Dabei sind die Politiker noch uneins über die Idee die „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ als neuer Rechtsform. Prinzipiell zeigten sich alle beteiligten Politiker offen für die genannten Ideen. Während SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz „die Gedanken, die hinter der Idee stehen, nicht nur vertraut, sondern auch ausgesprochen sympathisch“ findet, lobte auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner den Einsatz der Initiative. Armin Laschet, CDU-Vorsitzender und Kanzlerkandidat der Union, zeigte sich darin aber ähnlich ausweichend wie Lindner: „Das ist ein interessanter Gedanke, ich glaube, der heutige Tag macht deutlich, dass es noch Erörterungsbedarf gibt auch in unserer Partei, und freue mich, dass wir in den Dialog gehen können.“
Befürchtet wird von Kritikern insbesondere aus der Union, dass auf dieser Basis einfach die Erbschaftssteuer für Unternehmen umgangen werden könne. Robert Habeck dagegen erklärte, er sei Fan der Idee und halte eine Gesellschaft mit gebundenem Vermögen „für einen vielversprechenden Ansatz, um sicherzustellen, dass Gewinne der Unternehmensentwicklung dienen“.
Erwartungsgemäß viel Zuspruch findet die Idee vonseiten der Startup-Szene: Die Familienunternehmerin und mehrfache Gründerin Verena Pausder erklärt etwa: „Ich habe von Beginn an das große unternehmerische Potenzial gesehen, das treuhändisches Eigentum und eine neue Rechtsform dafür mit sich bringen.“ Es gehe darum, die traditionellen Werte von Familienunternehmen – Langfristigkeit, Beständigkeit – abzusichern, auch unabhängig von der Familie. Das biete dem Mittelstand einfach eine weitere sehr gute Option für die Regelung der Nachfolge – „und Startup-Gründern die Möglichkeit, schon bei der Gründung zu signalisieren, dass es ihnen um langfristiges Wirtschaften und nicht um den schnellen Exit geht.“
Noch ist vieles im Hinblick auf die Ausgestaltung des Verantwortungseigentums nicht geklärt – und das wird sich erwartungsgemäß in den nächsten Monaten auch nicht ändern. Dennoch ist die Idee interessant und wird wohl insbesondere in der nächsten Legislaturperiode wieder behandelt werden. Die Vehemenz, mit der die Initiative die Werbetrommel rührt, ist bemerkenswert. Klar ist aber auch, dass sie ein Regelwerk braucht, das dafür sorgt, dass die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen nicht nur zu einem reinen Steuersparmodell für Erbschaftssteuer wird.
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