Die Gefangenenhilfe Humanitas kümmert sich seit 1991 um die Resozialisierung von Strafgefangenen. Auch ihre Arbeit hat sich in der Corona-Pandemie verändert. Im Interview erzählt Geschäftsführerin Cornelia Laake, wie man eine Haftentlassung vorbereitet, wenn man nicht ins Gefängnis darf und alle Behörden zu sind.
Wann waren Sie das letzte Mal bei den Gefangenen in der JVA?
Cornelia Laake: Eigentlich haben wir regelmäßig Sprechstunden in der JVA, in denen wir Beratungsgespräche anbieten, um die Gefangenen bei der Haftentlassungsvorbereitung zu unterstützen. Aber dann kam der erste Lockdown und die JVA hat von heute auf morgen zugemacht. Darauf konnten wir uns gar nicht vorbereiten, niemand hat damit vorher gerechnet. Anfang Juni durften wir dann wieder in die JVA und Beratungsgespräche anbieten. Allerdings anders als es vorher üblich war. Jetzt müssen wir unsere Sprechstunden über den Besucherdienst der JVA anmelden und in den Besucherräumen durchführen, da der Zutritt zu den einzelnen Vollzugsabteilungen nicht möglich ist. Aber diese Termine sind begrenzt, weil sie auch von Angehörigen und Rechtsanwälten wahrgenommen werden. Das bedeutet, dass wir derzeit pro Vollzugsabteilungen nur noch einmal im Monat Beratungsgespräche durchführen können.
Wie haben Sie während der Schließung den Kontakt zu den Klienten aufrechterhalten?
Wir haben über den Sozialdienst der JVA die Gefangenen zu motivieren mit uns Kontakt aufzunehmen. Per Telefon oder Briefen. Dadurch konnte man zumindest erfahren, wer kurz vor der Entlassung steht. Während dieser extremen Zeit gab es fünf Haftentlassungen, die wir nicht so gut vorbereiten konnten, wie es normalerweise der Fall wäre. Von den fünf haben wir zwei Männerbei uns im Wohnprojekt aufgenommen, für einen konnten wir im Obdachlosenheim einen Platz finden und zwei weitere sind zu Bekannten oder Angehörigen gegangen.
Zur Person
Cornelia Laake arbeitet seit 28 Jahren für Humanitas. Neben ihrer Arbeit als Sozialarbeiterin im EU-geförderten Projekt „Haftvermeidung durch soziale Integration“, sowie in der Ambulanten Beratungsstelle, ist sie seit Dezember 1993 als Vereinsgeschäftsführerin eingesetzt. Ihre Arbeit umfasst die Beratung in der JVA, die Entlassungsbegleitung sowie die ambulante Begleitung Haftentlassener in ihren eigenständigen Wohnungen. Des Weiteren ist sie als Geschäftsführerin für die Personal-, Finanz-, Projekt- und Vereinsverwaltung zuständig.
Haben die Inhaftierten die Möglichkeiten zum vermehrten Telefonieren genutzt?
Sie haben es genutzt, wir haben auch vermehrt Post bekommen. Aber der Kontakt ist das eine, die tatsächliche Organisation einer Entlassung umfasst weit mehr. Alle Behörden waren geschlossen. Das Jobcenter war zu, die Antragstellung ging nur online. Aber ein Haftentlassener hat nicht sofort einen Internetzugang. Und wir durften zu der Zeit auch keinen in unserem Büro empfangen, da damals ja Kontaktbeschränkungen waren. Aber nicht nur die geschlossenen Behörden machten die Haftentlassung schwierig, es war unmöglich für die Leute eine Wohnung zu finden. Wir haben auch den Unmut der Haftentlassenen am Telefon zu spüren bekommen, viele fühlten sich alleingelassen.
Sie unterstützen bei Humanitas Gefangene mit Beratungen, aber sie bieten auch Betreutes Wohnen für Haftentlassene an. Wo findet das Betreute Wohnen statt?
Hier bei uns im Vereinshaus. Wir haben sieben Bewohnerzimmer, wobei eins zurzeit von einer Mitarbeiterin als Büro genutzt wird, um den Abstandsregeln im Büro gerecht zu werden. In den letzten Jahren haben wir die Zimmer, nur noch mit einer Person belegt. Auch in der Corona-Zeit haben wir neue Bewohner aufnehmen können. Das sind überwiegend Personen, die viele Jahre in der JVA waren und viel Unterstützung brauchen, um sich wieder an ihr neues Leben zu gewöhnen.
Wie unterstützen Sie die Haftentlassenen im Betreuten Wohnen?
Wir unterstützen die Entlassenen dabei einen geregelten Tagesablauf aufzubauen und den beizubehalten. Einige gehen tagsüber zur Arbeit, die anderen arbeiten für die Gemeinschaft. Das heißt, sie übernehmen die Küchen- und Gartenarbeit oder was sonst noch so anfällt. Aber wir unterstützen die Entlassenen auch bei der Suche nach Angehörigen, die sie während der Haftzeit aus den Augen verloren haben. Ansonsten leben die Männer hier ganz selbstständig, in einem kleinen, familiären Rahmen. Die Bewohner bekommen derzeit ihr Verpflegungsgeld ausgezahlt und kaufen davon selbstständig ein. Mittels der Einkaufsbelege müssen sie uns nachweisen, was sie dafür gekauft haben. Nur an den Wochenenden wird weiterhin gemeinsam gekocht und gegessen. Dank regelmäßiger Schnelltests können unsere Spielenachmittage wieder stattfinden. Nur auf Ausflüge mit unserem Vereinsbus müssen wir im Moment verzichten und unser 30-jähriges Vereinsjubiläum in diesem Jahr findet auch kleiner als geplant statt Aber wir hoffen, dass wir wenigstens eine kleine Feier im Sommer abhalten können, um unsere Mitglieder und Ehrenamtlichen zu würdigen.
Von Julia Kazmierczak
Gefangenenhilfe während Corona: „Viele fühlten sich alleingelassen“ - Märkische Allgemeine Zeitung
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