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Friday, March 19, 2021

Zombiefirmen: Viele Unternehmen verstehen die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht - Handelsblatt

Geschäftsaufgabe

Ein Fünftel der Deutschen Unternehmen sorgt sich um seine Existenz.

(Foto:&#160dpa)

Berlin Zahlreiche Unternehmen verstehen die Aussetzung der Insolvenzantragspflichten teilweise nicht oder missachten die Regelungen. So lautet das Fazit des diesjährigen Deutschen Insolvenzrechtstages. „Das hat dazu geführt, dass das Insolvenzrecht seine Aufgabe, Verluste produzierende Unternehmen aus dem Markt zu nehmen, sanierungsfähige und ertragreiche Einheiten zu restrukturieren, nicht mehr in dem gebotenen Maße erfüllen kann“, erklärte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein, Jörn Weitzmann.

Ohne klare ordnungspolitische Rahmenbedingungen sei es weder dem redlichen Unternehmer noch dem Insolvenzverwalter möglich, eine betriebliche Planung aufzusetzen. Weitzmann mahnte: „Wer überschuldet ist und Verluste macht, lebt auf Kosten anderer, hat die Hand bereits im Portemonnaie seiner Gläubiger.“

Unter normalen Bedingungen sorgt die Insolvenzantragspflicht dafür, dass Unternehmenslenker bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag für die Firma stellen. So sollen die Interessen der Gläubiger gewahrt werden.

Im Zuge der Corona-Pandemie hatte die Regierung die Antragspflicht für Firmenpleiten zunächst ausgesetzt. Mittlerweile kommt die Sonderregelung nur noch Schuldnern zugute, die einen Anspruch auf finanzielle Hilfen aus den aufgelegten Corona-Hilfsprogrammen haben und deren Auszahlung noch aussteht.

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Die Folge: Trotz Lockdown und geschlossener Geschäfte meldeten 2020 nur rund 17.000 Unternehmen in Deutschland Insolvenz an. Das waren neun Prozent weniger als im Jahr zuvor. Experten gehen davon aus, dass es derzeit viele Zombieunternehmen gibt, die zwar am Markt aktiv, aber wirtschaftlich nicht überlebensfähig sind.

5000 Zombieunternehmen

Beim Insolvenzrechtstag am Donnerstag verteidigte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) die Aussetzung: „Dieser Schritt war nicht ohne Risiko.“ Er sei aber notwendig gewesen. „Wir wollen verhindern, dass die Pandemie die Strukturen unserer Wirtschaft zerstört“, sagte Lambrecht.

Die Regelungen griffen auch nur, wenn die Unternehmen eine Überlebensaussicht hätten. Die Befürchtungen, eine Insolvenzblase oder Zombieunternehmen könnten entstehen, hält Lambrecht für „überzogen“.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) geht laut jüngsten Berechnungen von rund 5000 Zombieunternehmen aus, für die es trotz der Staatshilfen kaum eine Perspektive gebe. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet für dieses Jahr mit mehr Firmenpleiten, denn in vielen Unternehmen gingen die Eigenkapitalpuffer zur Neige.

Gemessen am Insolvenzgeschehen der vergangenen Jahre sei damit zu rechnen, dass bis zu 4500 Firmenpleiten „nachgeholt“ würden. Die Aussetzung der Meldepflicht „verschleiere“ das Insolvenzgeschehen derzeit.

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm wies jüngst darauf hin, dass die Verzögerung der Impfkampagne durch die Aussetzung des Vakzins von Astra-Zeneca „ganz klar wirtschaftliche Auswirkungen“ habe und es in der Folge zu mehr Insolvenzen kommen könne.

Pandemie sorgt für Existenzsorgen

Nach einer aktuellen Umfrage des Ifo-Instituts sieht sich derzeit fast jedes fünfte Unternehmen in Deutschland in seiner Existenz bedroht. Die Reisebranche wird am stärksten von Existenzängsten geplagt: Hier bangen knapp 84 Prozent der Firmen um den Fortbestand.

Weitzmann vom DAV-Insolvenzrechtsausschuss kritisierte den „stakkatohaften Aktionismus“ der Regierung in der Pandemie. „Wir haben in Deutschland ein funktionierendes Insolvenzrecht, das die Restrukturierung und Sanierung ermöglicht“, bekräftigte er.

Nicht ertragsfähige Unternehmen müssten klar unterschieden werden von solchen, die coronabedingt in eine wirtschaftliche Schieflage geraten seien. Es sei zu befürchten, dass zahlreiche insolvente Unternehmen keinem ordnungsgemäßen Verfahren zugeführt würden, sondern einfach „still“ verschwänden.

Justizministerin Lambrecht bekräftigte, in den vergangenen Monaten seien die umfangreichsten Reformen des Sanierungs- und Insolvenzrechts seit mehr als zwanzig Jahren in Kraft getreten. So zum Jahreswechsel das Restrukturierungsgesetz, das Unternehmen „neue und flexible Möglichkeiten“ eröffne, sich außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens zu sanieren.

In der Coronakrise würden davon Firmen profitieren, die über ein tragfähiges Sanierungskonzept verfügten. Die Ministerin kündigte an, eine Checkliste für Restrukturierungspläne zu veröffentlichen.

Mehr: Lesen Sie hier, warum die Reparatur der deutschen Wirtschaft länger dauern wird als erhofft. Ein Kommentar.

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