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Friday, March 19, 2021

Viele Conti-Mitarbeiter sind streikbereit - Wetterauer Zeitung

Die Verhandlungen um den Erhalt des Standortes Karben des Continental Automotive Werkes sind in vollem Gange. Die nächste Runde für einen Sozialtarifvertrag soll im Karbener Rathaus stattfinden. Das hat Bürgermeister Guido Rahn während der Betriebsversammlung auf dem Werksgelände angeboten. Die Stimmung bei den Beschäftigten ist ausgesprochen kämpferisch.

G eduld am Ende!« steht über der Einladung zur jüngsten Betriebsversammlung, die am Seiteneingang neben dem Stand der Mahnwache hängt. Und gegenüber der Hauptein- und -ausfahrt zum Werksgelände prangt am Zaun des Baustoffhandels ein riesiges Poster: »Wir kämpfen für unsere Arbeitsplätze« steht dort in Großbuchstaben zu lesen. Mehrere Hundert Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Continental Automotive Werkes im Karbener Gewerbegebiet sind am Donnerstagmittag zur Betriebsversammlung auf das Werksgelände gekommen.

Als die ersten Reden gehalten werden, fällt Schneeregen vom Himmel. Frostig ist, und mancher holt sich eine kalte Nase. Doch als über die Lautsprecher die Frage gestellt wird »Was machen wir?«, schallt es aus Hunderten Kehlen »Wir bleiben hier!«.

Genau das ist die Stimmung bei den 1088 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Werkes, dessen Schließung die Konzernleitung im Frühjahr 2020 beschlossen und dem der Aufsichtsrat vergangenen Herbst zugestimmt hatte. Die Conti-Beschäftigten, die aus der Region Frankfurt, Wetterau und Main-Kinzig kommen, wollen am Standort Karben bleiben. Und dafür kämpfen sie. Ihre Geduld, so wird in den Reden des Mittags deutlich, scheint am Ende zu sein. Die Mitarbeiter seien streikbereit, hat der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Bezirks Frankfurt, Michael Erhardt, beobachtet. Mittlerweile seien 80 Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert, freuen sich die Verantwortlichen.

2024 sollen die Lichter ausgehen

Ihre Strategie haben sie bereits im Herbst vergangenen Jahrers deutlich gemacht: »Die IG Metall und der Betriebsrat wollen das Werk und die Arbeitsplätze am Standort Karben erhalten.« Es lohne sich, für den Erhalt des Standortes zu kämpfen, wie schon der Standort Babenhausen zeige. In den ersten beiden Verhandlungsrunden mit der Arbeitgeber seite hat die Gewerkschaft hohe Hürden genannt, nach dem Motto »Es wird teuer!«. Sprich: Die Schließung des Werkes in der Industriestraße würde den Konzern Millionen kosten (siehe Box).

In den Reden wird deutlich, dass sich viele von der Konzernzentrale in Hannover provoziert fühlen. »Ein zweites Babenhausen wird es nicht geben«, ziert einer den Vorstand am Mikrofon. Für das andere hessische Werk hatte es zu Beginn des Jahres einen mehrjährigen Aufschub gegeben, denn auch das sollte zunächst geschlossen werden.

Die Schließungsabsichten des Konzerns hat die IG Metall mittels eines überall ausgehängten Schaubildes deutlich gemacht. Wie berichtet, will der Konzern deutschlandweit rund 13 000 Arbeitsplätze abbauen. Neben Regensburg und Babenhausen ist auch Karben von Schließung bedroht. Hier sollen laut Vorstand und Aufsichtsrat spätestens im Jahr 2024 die Lichter ausgehen.

Die Gewerkschaften wie auch die Arbeitnehmer halten dagegen, bei Karben handele es sich um eines der modernsten und innovativsten Werke der Branche. Von hier aus werden just in time viele Automobilwerke in ganz Deutschland beliefert. Die Verantwortlichen der Gewerkschaft fordern nun, dass das Karbener Werk nicht nur für Auftraggeber aus der Autoindustrie produziert, sondern auch für andere Branchen. Zudem argumentieren sie, dass schon jetzt in Karben Systeme für autonomes Fahren hergestellt werden, »das ist quasi eine Zukunftsproduktion«. Die könne nicht einfach verlagert werden, sagen Erhardt und der Betriebsratsvorsitzende Frank Grommeck.

Ärger über neues Werk in Litauen

Auf der Betriebsversammlung ist der Ton kämpferisch. Grommeck sagt: »Das Maß ist voll.« Was die Arbeitnehmerseite besonders wurmt ist, dass das Karbener Werk vor elf Jahren schon einmal von Schließung bedroht wurde. Nur durch den Abschluss eines sogenannten Ergänzungstarifvertrages war der Konzern bereit, das Werk weiterlaufen zu lassen. Grommeck erzürnt jedoch, dass die durch den Ergänzungstarifvertrag eingesparten 52 Millionen Euro dafür verwendet worden seien, ein Werk in Litauen aufzubauen. Dorthin und nach China solle nun ein Großteil auch des Karbener Arbeitsvolumens verlagert werden. Das werde man sich nicht gefallen lassen.

Ebenfalls an der Betriebsversammlung nahm Bürgermeister Guido Rahn teil, der den Beschäftiten seine Solidarität versicherte. Er bot an, dass die nächste Runde der Verhandlungen über den Sozialtarifvertrag Mitte April im Rathaus stattfinden könne.

Die Gewerkschafter freut insbesondere, dass in Karben alle Parteien sich mit dem Werk und deren Beschäftigen solidarisch erklärt haben. Erhardt: »Das haben wir in dieser Form noch nie erlebt«.

Wenn ein Konzern des Schließung eines Werkes beschließt und der Aufsichtsrat zustimmt, dann kommt es laut Gesetz zu Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag. Arbeiter- und Arbeitnehmerseite müssen dann darüber verhandeln, wie die Arbeitnehmer im Falle der Schließung abgefunden werden. Für die Arbeitnehmerseite verhandeln die Gewerkschaften, im Falle Conti ist das IG Metall, Bezirk Frankfurt.

Die Metaller haben hohe finanzielle Hürden aufgestellt. So fordern sie für jeden Beschäftigten pro Beschäftigungsjahr zwei Bruttogehälter als Abfindung. Zudem eine Treueprämie von 1000 Euro pro Jahr, einen Kinderzuschlag von 15 000 Euro je Kind und einen Behindertenzuschlag von 1500 Euro. Alternativ oder in Ergänzung dazu den Aufbau einer sogenannten Transfergesellschaft, in die dann die freigesetzten Conti-Arbeitnehmer übernommen werden sollen. Vergütung in diesem Fall: Zwölf Monate lang je 90 Prozent des durchschnittlichen Nettogehaltes aller Karbener Conti-Angestellten.

Wenn es sein müsse, werde man diese Forderung mit Streiks durchsetzen. Und dann, so Michael Erhardt und Frank Grommeck kämpferisch, »wird es für Conti erst richtig teuer«. pe

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