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Friday, March 19, 2021

Grüner Programmentwurf: Viele Vorhaben für das Gesundheitswesen - Deutsches Ärzteblatt: Aktuelles aus Gesundheitspolitik und Medizin

Annalena Baerbock und Robert Habeck, Bundesvorsitzende der Grünen, haben den Entwurf des Grünen-Wahlprogramms für die Bundestagswahl präsentiert. Über das Wahlprogramm stimmt der Parteitag im Juni ab. /picture alliance, Kay Nietfeld

Berlin – Die Grünen haben heute einen Programmentwurf für die kommende Bundestagswahl am 26. September vorgelegt. Das 136-seitige Papier umfasst in einem Kapitel auch verschiedene Ansatzpunkte aus Gesundheit und Pflege – teils detailliert. Das Papier ist noch nicht final, allerdings dürf­ten sich allen­falls nur noch De­tails ändern. Den endgülti­gen Beschluss soll der Bundesparteitag Mitte Juni fassen – dann sind auch noch Änderungen möglich.

„Wir legen das Programm in einer Zeit vor, in der eine politische Ära zu Ende geht und eine neue begin­nen kann“, sagte Grünen-Chef Robert Habeck. Dies geschehe in einer zerbrechlichen, schwierigen politi­schen Phase. Die Regierungsparteien würden er­lahmt und müde wirken.

Impfstoffprobleme, zu wenige Tests und eine fehlende Strategie in der Bekämpfung der Coronapandemie würden einmal mehr zeigen, dass reaktive Politik allenfalls das Schlimmste verhindere. Aber es gehe da­rum, das Beste zu ermöglichen. Habeck: „Wir legen mit diesem Bundestagswahlprogramm eine Vitamin­spritze für dieses Land vor.“

Grünen-Chefin Annalenea Baerbock betonte, gute Arbeit und faire Löhne, eine gute Infra­struktur, gute Schulen und eine gute Gesundheitsversorgung seien zentral, um ein gutes Leben zu ermöglichen. Ge­nauso gelte das für Forschung, ein Schub bei der Digitalisierung und beim Klimaschutz. In der Gesund­heitspolitik geht es der Partei unter anderem um gleiche Chancen auf Gesundheit sowie einen Zugang für alle zur Gesundheitsversorgung.

Bürgerversicherung das Ziel

Die Grünen halten in ihrem Programmentwurf weiter an einer Bürgerversicherung fest. Das bestehende System von gesetz­li­cher (GKV) und privater (PKV) Kran­ken­ver­siche­rung wollen sie ablösen. „Von dieser Zwei-Klassen-Medi­zin profitie­ren wenige, zum Nachteil vieler“, heißt es in dem Programm. GKV-Versi­cher­te hätten längere Wartezeiten auf Termine, viele PKV-Versicherte können sich die hohen Prämien nicht mehr leisten.

Ziel der Grünen ist „eine solidarisch finanzierte Bürgerversicherung“, in der jeder unabhängig vom Ein­kommen die Versorgung bekommen soll, die notwendig sei. In die Finanzierung einbezogen werden sollen demnach alle Bürger – auch Beamte, Selbständige, Unternehmer und Abgeordnete. Neben Löh­nen und Gehältern wollen die Grünen auch Beiträge auf Kapitaleinkommen erheben.

In dem Papier reißen die Grünen konkrete Vorschläge für Verbesserungen an. Ein Beispiel sei die Er­statt­ung von Brillen. Außerdem wolle man „die Benachteiligung“ gesetzlich versicherter Beamter durch einen beihilfefähigen Tarif beenden und privat Versicherte, die sich nur den Basistarif leisten können, besser absichern.

Prävention, Gesund­heits­förder­ung und gesundheitliche Versorgung wollen die Grünen als Querschnitts­aufgabe in allen Politikbereichen verfolgen. Wegen der klimawandelbedingten Hitzewellen will die Partei einen Sonderfonds zur Umsetzung von Hitzeaktionsplänen etablieren.

Lehren aus der Krise

Ein wichtiger Aspekt in dem Papier sind auch die Folgen aus der Coronakrise. Diese habe gezeigt, dass das Gesundheitssystem für künftige Pandemien besser gewappnet sein müsse. „Spätestens jetzt ist der Moment, die Krankenhaus- und Notfallversorgung zu reformieren und die Digitalisierung, insbesondere in den Gesundheitsämtern, beherzt voranzutreiben.“

Um Pandemien zukünftig effektiv und nachvollziehbar zu bekämpfen, sollten Stufen zur Eindämmung von Pandemien im Infektionsschutzgesetz definiert, Pandemieschutzpläne aktualisiert und ein unabhän­giger und interdisziplinärer Pandemierat eingerichtet werden.

Investieren will die Partei in Gesundheitsforschung, zum Beispiel bei Medikamenten oder der Entwick­lung neuer Testverfahren. Auch die Produktion von Medikamenten und Medizinprodukten soll – in euro­päischer Kooperation – vorangetrieben werden, die Versorgung, zum Beispiel mit Atemschutzmasken, durch eigene Produktionsstandorte sichergestellt werden.

„Auf europäischer Ebene braucht es mehr gemeinsame Strategie und Koordinierung, etwa durch die ge­meinsame Planung und Nutzung medizinischer Notfallkapazitäten oder durch ein europäisches Früh­warn­system“, heißt es.

Daher setze man sich für den zügigen Aufbau von HERA ein, einer europäischen Behörde, die künftig staatliche und privatwirtschaftliche Aktivitäten besser koordinieren soll. Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten wollen die Grünen stärken und uns für eine engere Ko­operation mit nationalen Gesundheitsbehörden einsetzen.

Mehr Geld für den ÖGD, ambulant und stationär verzahnen

Auch die Gesundheitsämter und der öffentliche Gesundheitsdienst stehen auf der Agenda. Die Partei formuliert das Ziel, im Zusammenspiel zwischen den Gesundheitsämtern, universitären Strukturen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge und einem neu zu schaffenden Bundesinstitut für Gesundheit gemein­sam eine starke Säule der öffentlichen Gesundheitsfürsorge aufzubauen. Das Institut soll gemeinsame Gesundheitsziele und Qualitätsvorgaben für die Verbesserung der Versorgung entwickeln und bestehen­de Strukturen des Bundes zur Förderung der Gesundheit bündeln.

Um die Gesundheitsämter besser zu finanziern, schlagen sie vor, dass Bund und Länder gemeinsam dafür sorgen, dass künftig ein Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben in den Öffentlichen Gesundheits­dienst fließen. Amtsärzte müssten besser bezahlt werden.

Die Grünen sprechen sich auch dafür aus, die ambulante und stationäre Versorgung in Zukunft übergrei­fend zu planen und Gesundheitsregionen mit enger Anbindung an die Kommunen zu fördern. Das soll die Versorgung in strukturschwachen Regionen verbessern. „Perspektivisch“ soll es nach Vorstellung der Grünen „eine gemeinsame Abrechnungssystematik für am­bulante und stationäre Leistungen geben“.

Konkrete Vorstellungen haben die Grünen bei der interdisziplinären Zusammenarbeit der Berufe im Ge­sundheitswesen. Man wolle die Aufgabenverteilung so reformieren, dass Gesundheits- und Pflegebe­rufe mehr Tätigkeiten eigenverantwortlich übernehmen könnten.

Die Arbeitsbedingungen in und die Vergütung von Therapieberufen müssten dringend angepasst, das Schulgeld für diese Ausbildungen abgeschafft werden. Krankenhäuser nach gesellschaftlichem Auftrag finanzieren In Krankenhäusern sollen alle die Versorgung erhalten, die sie benötigen.

Umbau der Krankenhausfinanzierung

Aus Sicht der Grünen haben „falsche politische Weichenstellungen“ und der daraus folgende ökonomi­sche Druck zu Fehlanreizen zu Lasten des Patientenwohls und zu Kosteneinsparungen zulasten des Per­sonals geführt. „Kliniken sollen deshalb in Zukunft nicht mehr nur nach Fallzahl, sondern auch nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Dafür braucht es ein neues Finanzierungssystem.“

Die Grünen schlagen eine neue Säule der Strukturfinanzierung vor. Den verbleibenden fallzahlabhängi­gen Vergütungsteil wolle man reformieren. „Vielfach herrscht Stillstand bei den Investitionen in die Kran­kenhäuser. Das wollen wir ändern, indem Bund und Länder die Investitionskosten in Zukunft ge­meinsam tragen.“ Derzeit sind die Länder für die Krankenhauspolitik und die Investitionen verantwort­lich. Den Betrieb finanziert die gesetzliche Kran­ken­ver­siche­rung. Die Grünen wollen mehr Einfluss für den Bund. Dieser soll im Gegenzug für den Einstieg in die Finanzie­rung die Möglichkeit haben, gemein­same bundesweite Grundsätze in der Krankenhausplanung zu defi­nie­ren.

Ideen finden sich im Entwurf des Parteiprogramms auch zur Notfallversorgung. Die Notrufleitstellen der Nummern 112 und 116117 wollen sie organisatorisch zusammenführen. Auch sollten Notaufnahmen gerade nachts und am Wochenende beispielsweise durch Hausärzte so unterstützt werden, dass auch weniger ernste Fälle gut versorgt werden könnten. „Durch einheitliche Stufen und Vorgaben zur Notfall­versorgung wollen wir sicherstellen, dass Menschen in Not, in der Stadt und auf dem Land, stets die erwartbare Hilfe auch verlässlich vorfinden.“

Mehr Sitze für Psychotherapeuten

Damit Menschen in einer psychischen Krise nicht monatelang auf therapeutische Hilfe warten müssen, wollen die Grünen mehr Kassenzulassungen für Psychotherapeuten schaffen. Verbessern will die Partei auch die Geburtshilfe. In der Digitalisierung sehen die Grünen Potenzial. „Wir wollen die Chancen der Digitalisierung – ob Robotik zur Unterstützung in der Pflege, Telemedizin oder die elektronische Patien­tenakte – nutzen, um das Gesundheitssystem zukunftsfähig zu machen.“

In puncto Pflege haben sich die Grünen vorgenommen durch eine doppelte Pflegegarantie die Eigenan­teile von Pflegebedürftigen zu senken und dauerhaft zu deckeln. Die Pflegeversicherung soll alle über diesen Betrag hinausgehenden Kosten für eine bedarfsgerechte Pflege tragen. Mit einer solidarischen Pflege-Bürgerversicherung wolle man „dafür sorgen, dass sich alle mit einkommensabhängigen Beiträ­gen an der Finanzierung des Pflegerisikos beteiligen“.

Durch verbindliche Personalbemessung – auch in der Langzeitpflege –, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr eigenverantwortliche Arbeit von Fachkräften und die Einführung der 35-Stun­den-Woche in der Pflege will die Partei Arbeitsbedingungen schaffen, unter denen viele Menschen – ganz neu, weiter oder wieder – gerne in der Pflege arbeiten.

Beim Thema Cannabis heißt es in dem Entwurf, das bestehende Verbot richte mehr Schaden an, als dass es nütze. Man wolle mit einem Cannabiskontrollgesetz das bestehende Cannabisverbot aufheben und einen kontrollierten und legalen Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften ermöglichen.

Darüber hinaus wolle man niedrigschwelliges Drugchecking für psychoaktive Substanzen und andere Maßnahmen zur Schadensminimierung wie die Ausgabe sauberer Spritzen bundesweit ermöglichen, damit Konsumenten nicht durch gefährliche Inhaltsstoffe oder schmutzige Spritzen zusätzlich gefährdet würden. „Das heutige Betäubungsmittelrecht evaluieren wir auf seine Wirkungen hin.“

Beim Klima stellen sich die Grünen vor, die Einnahmen aus dem CO2-Preis an Bürger zurückgeben. Seit dem Jahreswechsel gilt in Deutschland der neue CO2-Preis. Dazu müssen Unternehmen, die fossile Brenn­stoffe wie Erdölprodukte, Erdgas oder Kohle als Brennstoffe nutzen, Rechte zum Ausstoß erwerben. Das soll einen Anreiz zum Einsparen klimaschädlicher Gase setzen.

Zum Einstieg liegt der Preis bei 25 Euro pro Tonne CO2, nach und nach steigt er auf geplante 55 Euro pro Tonne im Jahr 2025. Die Zusatzkosten landen am Ende auch bei Verbraucherinnen und Verbrauchern. Die Grünen wollen den Preis schneller erhöhen, und zwar auf 60 Euro im Jahr 2023.

Damit Klimaschutz sozial gerecht sei wollen die Grünen dem Entwurf zufolge ein „Energiegeld“ einfüh­ren, über das alle zusätzlichen CO2-Einnahmen an die Menschen zurückgezahlt werden sollten. Davon soll jeder profitieren, und zwar fair aufgeteilt pro Kopf.

Weiter heißt es, auf diese Weise könne man mit Klimaschutz Geld verdienen, und es gebe einen sozialen Ausgleich. Auf diese Weise würden vor allem Geringverdiener und Familien entlastet und Menschen mit hohem Einkommen belastet. Zudem soll das „Energiegeld“ nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden. Solardächer wollen die Grünen fördern und zum Standard machen.

Im Verkehr möchte die Grünen-Spitze laut Entwurf das Schienennetz im ländlichen Raum stärken, ein attraktives europäisches Netz für Nacht- und Schnellzüge aufbauen und Radfahrern mehr Platz im Straßenverkehr geben. Auf Autobahnen soll ein „Sicherheitstempo“ von 130 Stundenkilometern gelten.

Gegen Plastikmüll in den Meeren will die Ökopartei laut Papier ein Sofortprogramm mit verbindlichen Zielen zur Müllvermeidung auflegen. Um Lebensmittel gesünder zu machen, soll es für die Ernährungs­industrie verbindliche Reduktionsstrategien für Zucker, Salz und Fett geben. Um das Klima zu schützen, soll vegetarische und vegane Ernährung attraktiver werden, etwa durch den reduzierten Mehrwert­steu­er­satz auch für vegane Milchalternativen. © may/dpa/aerzteblatt.de

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