Als Naresh Kuppuswamy anfing, in Deutschland zu studieren, sah er zur Abendessenszeit kaum mehr jemanden auf der Straße. Er dachte, seine Mitmenschen würden alle schon schlafen. Kuppuswamy ist Inder und arbeitet inzwischen in Erfurt. 2018 kam er nach Braunschweig, um seinen Master in Wissenschaftlichem Rechnen zu machen, und war mit dem deutschen Alltag erst einmal überfordert.
Aus einer Millionenstadt kommend, konnte er nur mit offenem Fenster schlafen, weil er die Stille nicht ertrug. Und auch das Unileben war Neuland für ihn: Als ein Kommilitone ihm erzählte, dass es unwahrscheinlich sei, sein Studium in Regelstudienzeit zu schaffen, war er geschockt: "Ich dachte wirklich, mein Traum wäre damit geplatzt." Ein Semester länger zu studieren, würde in Indien nämlich das Aus für die Karriere bedeuten. Kuppuswamy versuchte deshalb durchzuziehen, obwohl er den Anschluss immer weiter verlor. Nach vier Semestern war der Berg an Prüfungen so groß, dass er aufgeben musste: "Ich musste dann einfach akzeptieren, dass der Studiengang nichts für mich ist."
Kuppuswamy kein Einzelfall
So wie Kuppuswamy geht es vielen internationalen Studierenden. Laut einer Studie des Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) aus dem Jahr 2022 brachen 41 Prozent der sogenannten Bildungsausländer ihr Studium wieder ab, die 2016 und 2017 ihren Bachelor angefangen hatten. Unter den Begriff Bildungsausländer fallen Menschen, die eine ausländische Staatsangehörigkeit und ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben haben. Als Vergleich: Unter den deutschen Studierenden bricht nur fast jeder Dritter seinen Bachelor ab.
Studierendenzahlen in Thüringen Im WS 2022/23 waren insgesamt 46.694 Studierende an den staatlichen Thüringer Hochschulen eingeschrieben. Bei 9.000 ausländischen Studierenden beträgt deren Anteil damit rund 19 Prozent.
Dass die Quote bei internationalen höher ist als bei deutschen Studierenden, hat laut Ulrich Heublein vom DZHW verschiedene Gründe. Dazu gehöre typischerweise die Sprachbarriere, die viele internationale Studierende haben. Hinzu kämen aber Aspekte, die auch deutsche Studierende betreffen, wie die Suche nach einer Wohnung und die Frage, wie man das Studium überhaupt finanziere. Unterschätzen dürfe man außerdem nicht, wie unterschiedlich die Bildungserfahrungen seien: "Die Abstände zwischen den Bildungssystemen sind in jeder Hinsicht größer, als man sich das gemeinhin vorstellt."
Laut Heublein kommt es in Deutschland nämlich vor allem darauf an, selbstständig zu studieren: "Es hat der Studierende Erfolg, der sich selbst Aufgaben stellt oder weiß, wo er Hilfe findet und nicht abwartet, dass man auf ihn zugeht." Für Studierende aus dem Ausland, ob sie nun aus China, Frankreich oder Osteuropa kämen, sei das jedoch häufig neu. Sie seien es mehr gewohnt, Vorgaben zu erhalten. Das trifft auch auf Kuppuswamy zu, der in Braunschweig zum Beispiel Probleme damit hatte, dass es keine Anwesenheitspflicht in den Vorlesungen gab.
Universitäre Hilfe bleibt oft ungenutzt
Um die Situation von internationalen Studierenden zu verbessern, gibt es an Universitäten häufig Unterstützungsangebote wie Buddyprogramme. Dort werden Betroffenen Studierende an die Seite gestellt, die ihnen bei Fragen helfen sollen. Das Problem bei solchen Angeboten ist jedoch, dass sie laut einer Studie des Deutschen Akademischen Austauschdienst häufig nicht genutzt werden.
Dieses Problem kennt auch die Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Laut des International Student Barometer ist die Universität bei internationalen Studierenden zwar beliebt, allerdings geben einige Studenten bei der Befragung auch an, von den Hilfsangeboten nichts zu wissen. Für Claudia Hillinger vom internationalen Office der Uni Jena stellt sich deshalb die Frage nach der richtigen Kommunikation: "Die Studierenden werden mit einer Flut von Informationen rund um das Studium versorgt. Und da ist die Frage, wie vermitteln wir das Angebot, sodass es zu allen Studierenden durchdringt." Eine interne Arbeitsgruppe der Universität soll hierfür Lösungen erarbeiten.
Auch Kuppuswamy wurde versucht zu helfen, allerdings fasste er die Angebote nicht als solche auf: "Ich hatte die Möglichkeit, dass sie mich anrufen und fragen: Was ist los? Wie können wir helfen? Ich dachte aber, wenn ich erzähle, dass ich das Studium schwer finde, dann würden sie einfach sagen, okay, du bist nicht geeignet, geh wieder nach Hause. Ich war dementsprechend nicht ehrlich und habe einfach irgendeinen Unsinn erzählt."
Kuppuswamy's Tipps: Sprache lernen und Vorlesungen besuchen
Kuppuswamy gab nach seinem ersten Versuch im Übrigen nicht auf. Nach seinem Studium in Braunschweig informierte er sich genau, welcher Studiengang zu ihm passt. Im Anschluss zog er ins Ruhrgebiet und studierte an der Universität Duisburg-Essen den Master Technische Logistik, worin er inzwischen seine Masterarbeit geschrieben hat. Fragt man ihn nach Tipps für internationale Studierende, kommen ihm zwei Dinge in den Sinn: "Lernt Deutsch und geht in die Vorlesung, auch wenn ihr erstmal nichts versteht."
Warum viele ausländische Studierende ihr Studium abbrechen - MDR
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