Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat das Tempo der Auffrischimpfungen in den Bundesländern kritisiert. Obwohl bereits vor drei Monaten mit den Ländern vereinbart worden sei, dass zunächst Bewohnern in Pflegeeinrichtungen und allen über 60-Jährigen ein Booster angeboten werden solle, habe es seither erst zwei Millionen Auffrischimpfungen gegeben, sagte der Minister am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Berlin. Die Ländern sollten die Betroffenen informieren, wie dies Nordrhein-Westfalen und Berlin täten. Die Länder hätten sich verpflichtet, Impfzentren im Stand-by-Modus zu lassen und sollten sie nun reaktivieren. Er werde auch mit Arztvertretern reden. „Zu viele Impfwillige finden derzeit keinen Arzt, der sie impft“, sagt Spahn.
Der geschäftsführende Minister mahnt angesichts der sich verschlechternden Corona-Lage in Deutschland zu Vorsicht und weiteren Schutzvorkehrungen. „Die Pandemie ist alles andere als vorbei.“ In einigen Regionen steige die Zahl der Intensivpatienten, teils würden schon Verlegungen in andere Krankenhäuser geplant. Wichtig sei nun abermals, eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. Nötig seien Testkonzepte in allen Pflegeheimen, in Regionen mit sehr vielen Infektionen auch Zugangsregeln nur für Geimpfte und Genesene (2G).
Auch Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), warnt bei der Pressekonferenz vor einer weiteren Verschärfung der Corona-Lage. „Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, wird diese vierte Welle wieder viel Leid bringen. Es werden viele Menschen schwer erkranken und sterben, und das Gesundheitswesen wird wieder stark belastet“, sagte Wieler. Die Welle entwickle sich leider genau wie befürchtet, da nicht genügend Menschen geimpft seien und Verhaltenshinweise zum Schutz vor Ansteckungen sowie die 2- und 3-G-Regeln nicht mehr ausreichend umgesetzt würden. „Das sind erschreckende Zahlen“, sagte Wieler mit Blick auf die erfassten Todesfälle in Deutschland.
Wieler ruft zum Einhalten der Regeln auf
Der RKI-Chef rief zum Impfen und zum Einhalten der Regeln zu Abstand, Hygiene, Masken und Lüften auf. Die Impfung sei keine Wunderwaffe, machte er deutlich: Sie wirke nicht bei allen Geimpften gleich. „Außerdem kann der Impfschutz im Laufe der Zeit nachlassen – besonders bei Älteren, die ohnehin sehr gefährdet sind.“ Solidarität bleibe das Gebot der Stunde, betonte Wieler. „Wir alle wollen, dass dieser Winter der letzte Winter der Covid-19-Pandemie sein wird.“ Alle trügen die Verantwortung für die weitere Entwicklung der vierten Welle. Mit Impfungen und dem Einhalten der Maßnahmen könnten viele Menschenleben gerettet werden.
Minister Spahn machte sich abermals für eine Bund-Länder-Spitzenrunde zum Corona-Vorgehen stark. Es sei wichtig, neben den Gesundheitsministern die Ministerpräsidenten ins Boot zu nehmen und Entscheidungen auf eine möglichst breite Basis zu stellen. Dies sei jetzt in der Phase des Übergangs bis zum Start der neuen Bundesregierung sinnvoll, um eine einheitliche Kommunikation und damit Akzeptanz zu erreichen.
Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Neuinfektionen ist nach RKI-Angaben indes den zweiten Tag in Folge zurückgegangen. Die Behörde meldete am Mittwochmorgen eine Inzidenz von 146,6 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Am Vortag hatte die Inzidenz bei 153,7 gelegen. In Thüringen liegt die Inzidenz mit rund 328 besonders hoch – auch in Bayern und Sachsen gibt es viele Neuinfektionen.
Den jüngsten Angaben des RKI zufolge wurden binnen 24 Stunden 20.398 Neuinfektionen mit dem Coronavirus sowie 194 weitere Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus verzeichnet. Die Gesamtzahl der registrierten Infektionsfälle in Deutschland seit Beginn der Pandemie stieg damit auf 4.628.419, die Gesamtzahl der Todesfälle auf 96.027.
Spahn kritisiert Tempo der Booster-Impfung - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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