Zwei, drei Jahre lässt Winzer Michael Ihle schon mal einen Teil seiner Weinberge brachliegen. "Früher haben wir das länger gemacht, weil es für den Boden besser ist", sagt der Gesellschafter des Weinguts Ihle aus Rauenberg (Rhein-Neckar-Kreis). Doch wegen EU-Vorgaben müsse nach drei Jahren wieder Wein gepflanzt werden. In der Zwischenzeit säen Ihle und seine Kollegen einen Mix aus tiefwurzelnden Pflanzen und Blühmischungen. "Das tut dem Boden gut, sieht gut aus, wenn was blüht, und die Bienen freuen sich."
Mit dem Ansatz steht Ihle nicht alleine da. Einige Weinbauern nutzten die zwei, drei Jahre zur Regeneration des Bodens, erklärt der Geschäftsführer des Weinbauverbandes Württemberg, Hermann Morast, in Weinsberg. "So wie es früher gängige Praxis war." Vermehrt werden die Brachen seinen Angaben zufolge genutzt, um mehrjährige Blühflächen anzulegen - und dienen somit gezielt zur Stärkung der Biodiversität.
Dass sei allerdings die Ausnahme, weil sich eine nicht genutzte Fläche ökonomisch nicht lohne, sagt Morast. "Natürlich muss die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund stehen", sagt Ihle. "Das ist aber nicht alles." Viele Landwirte hätten die Naturverbundenheit im Hinterkopf, ist er überzeugt. "Und Boden ist ein kostbares Gut, das gehegt und gepflegt werden muss." Begrünungsmanagement heißt das dann. Und das entspreche dem Zeitgeist, sagt Ihle. Gut ein halber seiner 17 Hektar Weinfläche lägen im Moment brach.
Landesweit werden Jahr für Jahr Hunderttausende Quadratmeter an Rebflächen gerodet. Allein in Württemberg waren das im vergangenen Jahr fast 940.000, also rund 94 Hektar, wie aus Zahlen der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg (Landkreis Heilbronn) hervorgeht. Hinzu kamen Dutzende Hektar, für die größtenteils noch Pflanzrecht gilt. Für das Anbaugebiet in Baden erfasste das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg im vergangenen Jahr 1421 Hektar Brachfläche ohne und 503 Hektar mit Pflanzrecht. Dem gegenüber standen 15.830 Hektar bestockte Rebfläche.
Oft sind die Gründe laut Verbandsgeschäftsführer Morast ökonomische, etwa wenn der Aufwand für den Weinbau zu hoch ist. Das sei immer öfter bei Steillagen der Fall, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Arbeitskräfte kommen nicht mehr aus der Familie, die früher unbezahlt mit angepackt haben." Und an den steilen Hängen könne man nicht mit Maschinen ans Werk gehen, da sei Handarbeit gefragt.
Hilfreich sei, dass die Bundesregierung jüngst den Einsatz von Drohnen erlaubt habe, um Pflanzenschutz betreiben zu können. Das sei bis dahin nur mit dem Helikopter möglich gewesen - und entsprechend teurer. Auch gebe es vom Land Förderprogramme, um die Handarbeit zu unterstützen, sagt Morast.
Manche Kommunen wiederum förderten den Weinbau in Steillagen, weil die Weinberge bei Spaziergängern und Urlaubern beliebt sind - und somit auch für Tourismus und Gastronomie Kundschaft anlocken. "Dennoch gehen wir davon aus, dass es in den kommenden Jahren mehr Brachflächen geben wird", sagt Morast.
Bis 2010 gab es sogar eine sogenannte Rodeprämie. Nach Angaben des Regierungspräsidiums Freiburg handelte es sich um eine EU-Maßnahme mit dem Ziel, unrentable Rebflächen endgültig aufzugeben. Die Beihilfe habe je nach Zeitpunkt und nachgewiesenem Flächenertrag zwischen knapp 1500 und knapp 15.000 Euro je Hektar gelegen. Weil Steillagen mit mehr als 30 Prozent Hangneigung erhalten bleiben sollten, seien hier keine Rodungen bezuschusst worden. Allerdings sei in Baden-Württemberg von diesem Förderinstrument nur wenig Gebrauch gemacht worden, erklärte Präsidiumssprecherin Heike Spannagel.
Für die Besitzer sind aber selbst brachliegende Flächen mit Arbeit verbunden, sofern sie keinen anderen Pächter finden - denn das Gelände muss gepflegt werden. "Eigentum verpflichtet", sagt Morast. Das heißt: Es muss regelmäßig gemäht werden. In den Steillagen sei auch das wieder nur per Hand, mit der Sense möglich. Zudem gebe es Modellversuche mit Schafen und Ziegen als natürliche Rasenmäher.
Ihle hält den Aufwand aber für überschaubar: Ein- bis zweimal im Jahr müsse die Fläche gemäht werden, damit sie nicht zuwuchert und sich die Kirschessigfliege nicht wohlfühlt, die Rotwein-Trauben befalle.
"Das Problem ist: Es führt sonst schnell zu Verwilderung", erläutert Morast. Einerseits sei die Renaturierung zwar gewollt. Andererseits könnten in sich ausbreitenden Hecken auch Pilzkrankheiten lauern, die auf Reben des Nachbargrundstücks übergreifen. Pächter zu finden, wenn der Betrieb eigentlich unwirtschaftlich sei, sei aber schwer, sagt Morast. Auch wenn die benötigten Fahrzeuge kaputt gingen, lasse manch einer den brachen Weinberg unbearbeitet, sagt Ihle. Hier würde er sich mehr Unterstützung etwa vonseiten der Kommunen wünschen.
Viele Rebflächen im Südwesten liegen brach - t-online.de
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