Dachdecker-Obermeister spricht von einer „Katastrophe“.
Von Timo Lemmer
Solingen. Stefan Bruchhaus stöhnt: Der Inhaber eines Unternehmens für Dach- und Holztechnik an der Olgastraße muss aktuell eine Menge unangenehme Telefonate mit Kunden führen, die Preissteigerungen erwarten müssen, während er den leeren Markt für Bauholz sondiert. „Hier spielt sich eine Katastrophe ab“, warnt der Innungs-Obermeister der Dachdecker: Holz sei kaum mehr zu bekommen, und wenn, dann „zu horrenden Preisen und mit unverschämt langen Lieferzeiten“. Obwohl Deutschland rekordmäßig viel Holz produziert, sei der Markt leer: Das meiste komme in den Export.
Solingen: Preissteigerungen sind zu erwarten
Bruchhaus rechnet anhand von Dachlatten und einem Angebot auf seinem Computer vor: „Ende 2020, also erst vor fünf Monaten, konnte ich Dachlatten für 40 Cent den Meter kaufen. Sie liegen nun schon bei 1,36 Euro. Für einen Quadratmeter Dachfläche brauche ich 5,5 Meter: Der Preis liegt also pro Quadratmeter bei 7,48 Euro statt 2,20 Euro. Wenn ich denn überhaupt Material bekomme.“ Seine düstere Prognose: „Es wird im Bereich der Dachdecker bald viel Kurzarbeit geben, obwohl die Bücher voll sind. Einfach, weil kein Material da ist.“ Der Innungs-Obermeister befürchtet, dass „ab Juni, Juli die ersten Dachdeckerbetriebe kein Material mehr haben und Kurzarbeit anmelden müssen“.
Was mit dem Bauholz begann, ziehe sich inzwischen durch weitere Produktsparten, verweist Andreas Claaßen auf einen allgemeinen Baustoff-Mangel. „Die Knappheit betrifft mittlerweile fast alle Baustoffe. Gerade im Dämmbereich haben wir Preissteigerungen um etwa 40 Prozent. Dämmwolle und Dämmstoffe haben Lieferzeiten von zehn Wochen und mehr“, sagt der Prokurist des Solinger Bauzentrums Staba-Schermuly. Für Bauherren und Handwerker sei durch die Preissteigerungen „eine Kalkulation nicht mehr vernünftig zu machen.“
Für Bruchhaus zählt die mangelnde Planbarkeit ebenfalls zu den größten Ärgernissen des leer gefegten Markts: „Das macht uns unglaubwürdig, obwohl wir keinen Cent davon sehen. Im Gegenteil zahlen wir teilweise noch drauf.“ Der Dachdecker gibt zwei Beispiele: Habe er den Besitzern eines Einfamilienhauses Ende letzten Jahres einen Kostenrahmen von etwa 30.000 Euro für ein Dach genannt, müsse er Anfang Mai bereits 45.000 Euro aufrufen. „Wenn sich also jemand Ende des Jahres Bedenkzeit erbeten hat und sich nun meldet – und diese Anrufe haben wir mit dem immer besseren Wetter zurzeit –, muss ich diese Preissteigerung nennen. Das können Sie doch keinem Endkunden verkaufen!“
„Es wird im Bereich der Dachdecker bald viel Kurzarbeit geben.“
Gar draufzahlen müssten er und seine Innungskollegen, wenn sie zu früheren Zeitpunkten Verträge ohne oder nur mit geringer Materialpreis-Klausel mit Bauherren vereinbart hätten: „Für mich ist dann also der Januar-Vertrag bindend, obwohl ich jetzt teilweise die dreifachen Materialkosten habe.“ Das sei sonst üblich gewesen: „In meinen 45 Jahren hatten wir so einen Preisanstieg auch noch nie.“ Er könne inzwischen nur noch Angebote unterbreiten, in denen „dick und fett vermerkt ist, dass es sich beim Material um aktuelle Tagespreise handelt“.
Auch Claaßen betont, dass die Steigerung im Dämmbereich immens sei, „beim Bauholz ist es aber noch viel schlimmer“. Das Unternehmen auf der Straße An den Eichen komme derzeit damit klar, „weil wir ein Vollsortimenter sind“. Auf Betriebe, die sich einzig auf Holz spezialisiert hätten, kämen bereits jetzt riesige Probleme zu. Das liege insbesondere am Export des deutschen Holzes – aus den USA erhielten die Sägewerke teilweise die vierfachen Preise. „Im Bereich des Dämmmaterials fehlt es wohl teilweise in der langen Kette an Materialien und Rohstoffen, die importiert werden müssen.“
Solingen: Eingreifen der Politik gewünscht
Bruchhaus wünscht sich ein Eingreifen der Politik. Sollte es zur Kurzarbeit kommen, werde es nun mal teuer. „Das Handwerk stottert. Während die USA und China zu horrenden Preisen beliefert werden, wird der deutsche Markt nicht bedient.“ Helfen würde ein Exportstopp, fordert Bruchhaus: „Hier werden schließlich Umsätze und Gewerbesteuern generiert, die sonst fehlen. Dass zeitgleich riesige Mengen Holz durch die Welt verschifft werden, kann ja nicht wahr sein.“
Hintergrund
Panikkäufe: Andreas Claaßen vergleicht einen weiteren Beschleuniger der Knappheit mit Klopapier-Hamsterkäufen in der ersten Corona-Welle. „Sobald sich für Händler die Chance eines Kaufs bietet, wird in größeren Mengen als üblich gekauft, damit die Lager nicht leer werden. So zieht sich das Problem nach und nach durch alle Sparten, und wir haben heute selbst bei einem Standardartikel wie Zement Lieferzeiten von vier bis fünf Wochen. Es wird aus Angst gekauft.“
Viele Baustoffe wie Holz werden in Solingen knapp - solinger-tageblatt.de
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