15 Jahre, zehn Monate und vier Tage – so lange wird Angela Merkel regiert haben, wenn am 26. September ein neuer Bundestag gewählt wird. Ein paar Wochen mehr werden es dann noch werden, sollte sich die Bildung einer neuen Regierung bis tief in den Winter hineinziehen, könnte sie sogar noch den bisherigen Rekordhalter Helmut Kohl einholen – der war etwas mehr als 16 Jahre im Amt.
So oder so, selbst nach Meinung vieler Parteifreunde sind vier Amtsperioden zu lang. Sie sind der Meinung, die Kanzlerschaft sollte künftig begrenzt werden, auf drei oder sogar nur zwei Amtszeiten.
Zuletzt schlug das der niedersächsische CDU-Chef Bernd Althusmann vor: »Wir sollten als Partei festlegen, die Kanzlerschaft auf zwei Wahlperioden zu begrenzen«, sagte Althusmann vor wenigen Tagen der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. Wenn man gleichzeitig die Wahlperioden von vier auf fünf Jahre erhöhe – auch darüber gibt es Diskussionen – komme man dann auf »maximal zehn Jahre«, sagte Althusmann, der auch Präsidiumsmitglied der Bundes-CDU ist.
Zuvor hatte Bundesvorstandsmitglied Carsten Linnemann im SPIEGEL für eine Begrenzung der Amtszeit auf zwei Legislaturperioden plädiert. »So werden Parteien gezwungen, sich permanent zu erneuern«, sagte Linnemann, Chef des Wirtschaftsflügels von CDU und CSU und Vize der Bundestagsfraktion.
Mit diesem Argument hatten vor allem Merkel-müde Unionspolitiker schon in der Vergangenheit für eine Befristung der Kanzlerschaft geworben. Vorneweg der Parteinachwuchs Junge Union, der sich dafür seit Jahren starkmacht. In Bayern war man damit so erfolgreich, dass die dortige JU auf dem CSU-Parteitag Anfang 2019 eine knappe Mehrheit für einen entsprechenden Antrag bekam.
Die Hürden sind hoch
Dass aus der Idee nichts wurde, obwohl es in anderen Bundestagsfraktionen ebenfalls Befürworter der Idee gibt, liegt auch an den hohen Umsetzungshürden: Für eine entsprechende Grundgesetzänderung bräuchte man eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Zudem gibt es selbst in der Unionsfraktion unterschiedliche Meinungen zur formalen Anti-Ewigkeitsklausel, die verhindern soll, dass sich der Mehltau später Kanzlerjahre übers Land legt.
Doch nun könnte neuer Schwung in die Debatte kommen, weil vergangene Woche eine Wahlrechtskommission eingesetzt wurde, die sich unter anderem mit der zeitlichen Begrenzung der Kanzlerschaft beschäftigen soll. Auf der Agenda der Kommission steht auch, wie lang künftig eine Legislaturperiode sein soll, wie sich das Parlament verkleinern lässt und Wahltermine bündeln lassen. Bis zum 30. September, also nach der Wahl, soll das Gremium einen Zwischenbericht vorlegen.
Die Frau, die am liebsten selbst die nächste Bundeskanzlerin wäre, könnte sich eine Befristung für diesen Job sehr gut vorstellen. »Wir sollten auch die Begrenzung der Amtszeit einer Kanzlerin und eines Kanzlers in den Blick nehmen«, sagte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock dem SPIEGEL. »Es braucht eine andere Art des Führens.« Auf ein konkretes Maximum an Regierungsjahren will sich die Grünenpolitikerin vorerst allerdings nicht festlegen.
Baerbock erinnert daran, dass durch Merkels Rückzug erstmals kein Amtsinhaber erneut antrete. »Wir sehen ja gerade, wie viel Bewegung es gibt, wenn zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik alle Parteien gefordert sind, etwas Neues zu wagen.«
Die Grünenchefin plädiert auch für eine Debatte über eine verlängerte Legislaturperiode – sofern es gleichzeitig auch mehr Beteiligungsmöglichkeiten gebe, etwa über Bürgerräte. Die Grünen wollen zudem die Kontroll- und Beteiligungsrechte des Parlaments gegenüber der Regierung stärken, das Parlament verkleinern und das Wahlalter auf 16 Jahre senken.
SPD gegen Befristung der Kanzlerschaft
Offenheit für Reformen beim Wahlrecht gibt es auch in der SPD. Eine Verlängerung der Legislaturperiode sei »sicher sinnvoll«, sagt Parteichefin Saskia Esken. So könne man die »aktive Zeit« des Regierens verlängern. Gemeint ist damit die Zeit, in der sich die Politik nicht mit der Regierungsbildung oder schon wieder mit dem nächsten Wahlkampf beschäftigt.
Von einer zeitlichen Begrenzung der Kanzlerschaft allerdings hält die SPD-Chefin gar nichts: »Das ist ein durchsichtiges Manöver der CDU«, nachdem ausgerechnet die Union zweimal je 16 Jahre lang das Kanzleramt mit der gleichen Person besetzt habe. Dieses Mal, spottet Esken, gebe es offenbar Angst bei CDU und CSU, das Kanzleramt für einen längeren Zeitraum zu verlieren.
Noch deutlicher weist SPD-Vizechef Kevin Kühnert den Vorstoß zurück. Er spricht von einer »absurden Diskussion« und fügt hinzu: »Das regelt der Markt.« Die, die diesen Satz sonst jederzeit unterschreiben würden, sind an dieser Stelle ganz anderer Meinung. Auch die FDP hat sich immer wieder dafür ausgesprochen, einer amtierenden Kanzlerin oder einem Kanzler die Wiederwahl nur einmal zu ermöglichen.
Und was sagt der frisch gekürte Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet zu der Frage, die in den kommenden Jahren auch ihn selbst betreffen könnte? Nichts. Der CDU-Chef wolle sich im Moment nicht zu der Debatte äußern, heißt es auf Anfrage.
Das Gleiche gilt für CSU-Chef Markus Söder, der erst vor wenigen Tagen im unionsinternen Machtkampf mit Laschet zurückgezogen hatte. In Söders Fall ist das bemerkenswert: Kurz vor seiner Wahl zum bayerischen Ministerpräsidenten hatte er nämlich selbst für eine Begrenzung der Amtszeit an der Spitze des Freistaats und eine entsprechende Änderung der Landesverfassung geworben.
Weil Teile der Opposition dagegen waren, wurde nichts aus den Plänen. Der Wechsel gehöre nun einmal zur Demokratie, so lautete seinerzeit Söders zentrales Argument – er hatte dabei auch Merkel und die Bundespolitik im Blick.
Den Wechsel wird es nun in jedem Fall geben.
Begrenzung der Kanzlerschaft: Wie viele Jahre sind genug? - DER SPIEGEL
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