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Tuesday, March 30, 2021

FFP2-Masken in der Pflege: Viele Kopfschmerzen, zu wenig Tragepausen? - RND

„Der Job war vorher schon anstrengend – und jetzt ist es noch schlimmer“, sagt eine Krankenschwester aus einem Krankenhaus in Hannover. Für Menschen, die in der Pflege arbeiten, gehören die Masken schon länger zum Arbeitsalltag. Doch wie einige von ihnen dem RedaktionsNetzwerks Deutschland berichten, erschwert das Tragen von FFP2-Masken den Arbeitsalltag. Und längst nicht immer nehmen Arbeitgeber darauf Rücksicht – auch wenn sie es eigentlich sollten.

Klar ist, dass die Mund-Nasen-Bedeckung in der Bekämpfung der Corona-Pandemie eine sehr wichtige Rolle spielt. In ihr hat das Coronavirus einen tröpfchenabweisenden und partikelfilternden Gegner. Wenn keine Mindestabstände eingehalten werden können, gilt deshalb auch auf der Arbeit die Pflicht, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Doch es kann auch mehr Schutz geboten sein: Ergibt eine Gefährdungsbeurteilung, dass eine Tätigkeit besonders riskant ist, müssen Beschäftigte unter Umständen zur FFP2-Maske greifen.

In medizinischen Berufen ist das zum Schutz von Patienten und Personal oft der Fall. Und zugleich schildern Beschäftigte - allesamt lieber anonym -, dass die Regelung zur Belastungsprobe werden kann. Denn anders als empfohlen, scheint das Pflegepersonal mancherorts kaum dazu zu kommen, die Maske für eine Erholungspause abzulegen.

Das Universitätsklinikum Leipzig hat im Sommer 2020 eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes die körperliche Belastbarkeit von Gesunden vermindert. Die Untersuchungen wurden an zwölf Männern durchgeführt, die im Durchschnitt 38,1 Jahre alt waren. „Die Ergebnisse unserer Untersuchung bestätigen das subjektive Gefühl vieler Menschen“, erklärte Kardiologie-Klinikdirektor Prof. Dr. Ulrich Laufs damals.

Ein Balanceakt: Mehr Schutz, mehr Pausen

Es sei nun auch wissenschaftlich belastbar, dass Masken die Leistungsfähigkeit senken. „Übertragen auf die Arbeitswelt stellt sich schon die Frage, ob Menschen, die mit Maske körperlich anstrengende Arbeit leisten, öfter Pausen machen müssten als bisher“, sagte er. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es notwendig sei, „angemessene Schutzausrüstung und angemessene Ruhezeiten“ miteinander zu vereinbaren und somit psychologische und physischen Folgen für die Arbeitnehmer zu vermeiden.

Das Fazit: „Medizinische Masken beeinträchtigen die Lebensqualität des Trägers erheblich.“ Das sei keine Kritik am Tragen der Masken, betonten die Forscher. Aber es ist ein wichtiger Hinweis für Menschen, die in ihrem Berufsleben stets eine Maske tragen müssen, sich davon entsprechend zu erholen.

Im August empfahl die Gewerkschaft Verdi den Arbeitgebern des Gesundheitswesens „ausreichende Erholungspausen sicherzustellen“. Um eine grobe Orientierung zu liefern, wird empfohlen, nach zwei Stunden Tragedauer eine 30-minütige Pause einzulegen. Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungen haben das etwas genauer aufgedröselt: Wird eine FFP2-Masken ohne Ausatemventil genutzt, soll nach 75 Minuten die halbstündige Tragepause erfolgen. Wiederum nach 120 Minuten Tragezeit, wenn ein Ausatemventil vorhanden ist. Generell gilt, dass anstrengendere Tätigkeiten mehr Entlastung notwendig machen.

Jeder Dienst ein Langstreckenlauf

Und wie sieht das im Alltag aus? „Wir hören aus unseren Einrichtungen von den Beschäftigten, dass das ein unhaltbarer Zustand ist“, sagt Dietmar Erdmeier von der Gewerkschaft Verdi. „Die Beschäftigten laufen teilweise zwölf Kilometer pro Tag auf einer Station, und das mit einer Maske im geschlossenen Raum – das sind gefühlte 20. Da redet niemand drüber, da werden die Beschäftigten allein gelassen.“ Es gehe um Arbeitsschutz und darum, das Gefühl zu vermitteln, dass sich um einen gekümmert wird, sagt Erdmeier.

Tatsächlich schildern einige Mitarbeiterinnen aus medizinischen Einrichtungen in Niedersachsen dem RND, dass den Tragepause-Empfehlungen zumindest an ihren Arbeitsstellen nicht nachgekommen wird – weil sie von Arbeitgebern nicht angeordnet werden.

„Ich halte das nicht durch“

In einem städtischen Klinikum in einer niedersächsischen Stadt hat der Schutz im OP-Bereich zum Beispiel hohe Priorität: „Wir tragen FFP2-Maske plus chirurgischen Mundschutz. Acht Stunden Doppelmaske. Eine Tragepause kann bei uns gar nicht gewährleistet werden“, erzählt eine Schwester. In der Praxis eines Allgemeinmediziners ist es offenbar ähnlich, auch hier vermissen Beschäftigte die Tragepausen. „Es gibt keine Alternative, uns wird auch keine offenbart. Mit dem normalen Patientendurchlauf ist das schwer zu koordinieren“, schildert eine Angestellte. Dem schließt sich auch eine Krankenpflegerin aus Hannover an: „Seit Februar tragen wir die FFP2-Masken und ich habe mir sofort gedacht: Das halte ich nicht durch, dadurch kriegt man schlecht Luft. Aber man gewöhnt sich dran, was echt traurig ist. Wir kriegen keine Pause, um die Maske mal absetzen zu können.“

Die Beschäftigten erzählen, dass sie auf eigene Initiative für ihre Pausen sorgen müssen, etwa beim Gang in die Küche oder nach draußen. Doch je nach Auslastung ihres Tätigkeitsbereichs ist das eben nicht so häufig möglich. Die Krankenpflegerin aus Hannover sagt: „Wir können froh sein, wenn wir überhaupt Pause machen können.“ Ihr Arbeitgeber versichert aber auf Nachfrage des RND, „umgehend“ zu veranlassen, dass es hinsichtlich der Tragepausen „nochmals“ Schulungen gibt.

Und es gibt auch andere Beispiele, wie eine Schwester der Früh- und Neugeborenen-Intensivstation eines Krankenhauses in einer niedersächsischen Großstadt beweist: „Ich würde keine Pause brauchen.“ Der Unterschied: Bei ihr auf der Arbeit wechselt das Personal situationsabhängig zwischen den klassischen blauen OP-Masken und dem FFP2-Mundschutz. Und erstere scheinen die Beschäftigten weniger zu belasten.

Schwerstarbeit unter erschwerten Bedingungen: FFP2-Masken bei gleichzeitig ausbleibenden Erholungspausen stoßen bei Verdi auf Kritik. © Quelle: Robert Michael/dpa-Zentralbild/d

Kontrollen nur mit Anlass – und den gibt es nicht

Im Februar gab die zuständige Berufsgenossenschaft die Empfehlung aus, die „Tragezeiten/Belastungen durch andere Tätigkeiten oder regelmäßige Pausen zu reduzieren“. Konkret heißt das: Wer eine FFP2-Maske trägt, sollte sie regelmäßig absetzen – in einer richtigen Pause oder zumindest bei einer Tätigkeit, in der der spezielle Schutz nicht erforderlich ist, etwa bei bürokratischen Aufgaben. „Die berufsgenossenschaftlichen Regeln sollten den Arbeitgebern bekannt sein“, teilt dazu das niedersächsische Gesundheitsministerium mit. Das verweist darauf, dass „die niedersächsische Gewerbeaufsicht bei eigeninitiierten Kontrollen und bei Anlasskontrollen im Beschwerdefall auch auf die Einhaltung der Tragezeitbegrenzungen achtet“.

Nachgefragt bei der Gewerbeaufsicht Hannover stellt sich heraus, dass derzeit auf „eigeninitiierte Vor-Ort-Kontrollen (…) aus Gründen des Fremdschutzes verzichtet wird“. Bei Beschwerden gebe es Anlasskontrollen, doch bisher habe sich niemand beschwert, versichert die Gewerbeaufsicht. Zumal die Gefährdungsbeurteilung, die ein Betrieb in etwaigen Situationen vornimmt, dem Amt schriftlich bestätigt, dass die Beschäftigten aufgeklärt werden. In diesem Fall also auch über die Nutzung der Masken und den damit einhergehenden Pausen.

Unfreiwillige Versetzung nach Pausenforderung

Derweil versuchen Beschäftigte durchaus, sich einen Ausgleich für die Maskenbelastung zu erstreiten. Für Kristin Zuber hatte das weitreichende Folgen. Sie ist Krankenpflegerin auf der Intensivstation des Prosper-Hospitals in Recklinghausen. Nachdem sie auf die Mitarbeitervertretung (MAV) zuging, um zu erklären, dass die Tragepausen nicht einzurichten seien, sei sie vertröstet worden. „Wir müssen das selbst organisieren, hieß es.“ Daraufhin habe sie die Krankenhausleitung und die MAV in einem Gespräch konfrontiert und erklärt, dass sie im Zweifelsfall zur Gewerkschaft gehe, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Zehn Minuten später wurde ihre Versetzung in die Onkologie bekannt gemacht.

Dagegen klagte Zuber nun vor dem Arbeitsgericht in Herne. Im Gespräch mit dem RND verweist sie darauf, mit dem Problem nicht allein zu sein. „Viele berichten von Kopfschmerzen. Man bekommt genug Sauerstoff, doch durch den Widerstand beim Ausatmen bleibt mehr CO2 im Körper – und das führt zu Konzentrationsstörung und dazu, dass man Dinge leichter vergisst. Die Beschwerden sind diffus“, sagt Zuber.

„Wenn viel zu tun ist und es um Leben geht, dann stecken die Kollegen zurück“, sagt Zuber aber auch. In ihren vorerst letzten drei Schichten sei keine Pause möglich gewesen. Sicher sei nicht jede Schicht so intensiv, aber gerade in solchen Situationen sei eine höhere Konzentration umso wichtiger, betont Zuber. Die MAV habe ihr zu einer Überlastungsanzeige geraten, also einer schriftlichen Information an den Arbeitgeber, dass Arbeitsbelastung zu Schäden führen kann. „Aber es geht nicht darum, ob ich in 20 Jahren einen Lungenschaden habe, sondern dass ich mich in diesem Moment nicht konzentrieren kann.“ In einem Moment, der über Leben und Tod entscheiden könnte.

Die Klinik selbst verweist gegenüber der „Rheinischen Post“ darauf, dass die Maskenpausen mehr für den handwerkliche Berufe gedacht seien und der Trage-Pausen-Rhythmus die Patienten gefährden würde. Der Richter schlug vor, dass die Klinik die Versetzung zurücknehmen und alle zwei Stunden eine Tragepause garantieren solle. Von diesem Rhythmus war die Klinik ohnehin überzeugt – konnte aber nicht einrichten, dass er realisiert wird. Sie prüft nun den juristischen Vorschlag. „Das wäre ein Riesenfortschritt“, sagte Zuber. Allerdings habe sie vor Kurzem mit ihren Kolleginnen und Kollegen auf der Intensivstation darüber gesprochen: „Sie haben das ausprobiert und festgestellt, dass sie ihre Arbeit dann nicht schaffen.“ Am 6. Mai geht der Prozess von Zuber weiter.

Mehr Personal wäre nötig

Doch wie könnte dem ermüdeten Personal geholfen werden? Erdmeier von der Gewerkschaft Verdi schlägt eine Betriebsvereinbarung vor, abgeleitet aus der Gefährdungsbeurteilung, die klare Tragepausen festschreibt. Wenn nicht über den Betriebsrat, der zumeist nur in Krankenhäusern und Pflegehäusern existiert, dann zwischen den einzelnen Parteien des Verhältnisses. Doch das kann nicht überall die Lösung sein, weil es nicht überall Betriebs- oder Personalräte gibt – oder eine Betriebsvereinbarung kommt auch auf Nachfrage, wie im Fall von Kristin Zuber, nicht zustande. Alternativ könnte man auch für Personal sorgen: „Möglicherweise wäre die Forderung zu bewerkstelligen, wenn wir Teilzeitstellen in der Pandemiezeit aufstocken würden“, so Erdmeier. Gerade in der Pflege sei der Anteil von Teilzeitkräften überdurchschnittlich hoch.

Das effektivste Mittel wäre schlicht mehr Pflegepersonal auszubilden und einzustellen. Doch das scheint derzeit schwerer denn je. Stattdessen scheint auch für das große Belastungen gewöhnte Pflegepersonal das Maß voll zu sein: Eine Datenabfrage der Linken-Bundestagsfraktion ergab, dass zwischen Anfang April und Ende Juli 2020 mehr als 9000 Pflegekräfte ihr Berufsverhältnis auflösten. Und Befragungen in jüngerer Vergangenheit deuten darauf hin, dass sich die Entwicklung eher verschärft.

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