Stand: 11.05.2021 20:02 Uhr
Es ist ein weiterer Meilenstein für die Impfkampagne in den USA: Auch 12- bis 15-Jährige können nun gegen Covid-19 geimpft werden. Manche konnten es kaum erwarten - doch die Impfbereitschaft stößt auch an Grenzen.
Von Julia Kastein, ARD-Studio Washington
Der 14-jährige Jacob aus Decatur bei Atlanta will einer der Ersten sein. Schon am frühen Morgen, noch vor der Schule und noch bevor die Impfklinik aufmacht, steht der Achtklässler auf dem Parkplatz bereit. Sein Freund habe Covid-19 gehabt, erklärt Jacob dem Reporter des US-Senders CNN. Und das wolle er auf keinen Fall.
Keine 24 Stunden nachdem die US-Arzneimittelbehörde FDA die Notzulassung für den BioNTech-Pfizer-Impfstoff für 12- bis 15-Jährige erteilt hat, legen einige Bundesstaaten schon los. In manchen Kliniken können Eltern ihre Kinder schon seit Tagen zum Impftermin anmelden - und tun das auch, sagt Kinderärztin Jennifer Shu aus Decatur beim Sender Fox.
Noch diese Woche wird auch die oberste Seuchenbehörde CDC ihre Zustimmung erteilen -eine Formalität. Denn bei den 12- bis 15-Jährigen ist der Impfstoff noch wirksamer als bei 16- bis 24-Jährigen, sagt Kinderarzt Robert Frenck vom Cincinnati Children´s Hospital in Ohio. Sein Krankenhaus war an der klinischen Studie beteiligt. In der Kontrollgruppe seien von 1500 Jugendlichen 18 erkrankt. Bei den Geimpften: nicht ein einziger.
Die Risikogruppen im Blick
Mit der Notzulassung können nun rund 17 Millionen Jugendliche ihren Piks bekommen. Insgesamt wären es dann 85 Prozent der US-Bevölkerung. Kinder unter 18 Jahren machen nur zwölf Prozent der Covid-Infizierten in den USA aus. Und nur sehr wenige erkranken schwer oder sterben an der Krankheit.
Aber es gehe beim Impfen dieser Altersgruppe auch um den Schutz der Bevölkerung insgesamt, erklärt Frenck: "Sie selber haben vielleicht nur eine laufende Nase oder Husten, ihre Eltern bringen sie vielleicht nicht mal zum Arzt. Aber sie haben Covid. Und dann gehen sie zu ihren Großeltern und stecken die an. Und diese Leute werden dann sehr krank."
Die Nachfrage lässt nach
Die Notzulassung des BioNTech-Pfizer-Impfstoffs für Jugendliche kommt zu einem kritischen Zeitpunkt: In den USA gibt es zwar - anders als etwa in Europa - mehr als genug Impfstoff, aber die Nachfrage hat merklich nachgelassen. Mitte April wurden zeitweise täglich über drei Millionen Dosen verimpft. Jetzt sind es nur noch gut zwei Millionen. Manche Staaten, wie Arkansas, bekommen ihre Impfvorräte gar nicht mehr unter die Leute und lehnen weiteren Nachschub erstmal ab.
Laut Umfragen will sich rund ein Fünftel der Amerikaner gar nicht impfen lassen. Und noch einmal fast genauso viele nur "vielleicht". Besonders ausgeprägt ist die Impf-Skepsis bei Republikanern unter 45 Jahren. Geschürt wird es durch Falschinformationen vor allem in rechten Medien - und manchmal auch von ranghohen republikanischen Politikern. Senator Ron Johnson aus Wisconsin behauptete kürzlich beispielsweise, dass nach der Impfung die US-Todesraten in die Höhe geschnellt seien. Einen Beleg für einen Zusammenhang gibt es nicht.
Und ähnlich verbreitet ist die Skepsis auch, wenn Eltern gefragt werden, ob sie ihre Kinder impfen lassen wollen.
Schneller zurück in den Präsenz-Unterricht?
Die Biden-Regierung ist sich des Problems bewusst. Bei einer Senatsanhörung erklärte die neue Chefin der CDC, Rochelle Walensky, dass sich die Lage insgesamt zwar deutlich gebessert habe: Weniger Neuinfektionen, weniger schwer Erkrankte, weniger Tote. Aber ihre "inständige" Bitte an alle Amerikaner inständig sei dennoch, sich impfen zu lassen, "weil dass der schnellste Weg aus der Pandemie ist".
Die US-Regierung investiert 250 Milionen US-Dollar in Aufklärungsprogramme rund um Covid-19. Ein Großteil davon fließt in TV- und Internet-Werbung. Außerdem sollen in ländlichen Regionen, wo die Impfung an zu weiten Fahrten scheitert, mehr Impf-Mobile zum Einsatz kommen. Die Uber- oder Lyft-Fahrt zum Impfen will künftig die Regierung bezahlen, kündigte das Weiße Haus an. Prominente werden eingespannt, um ihre Fans dazu zu bringen, sich impfen zu lassen. Diese Woche beispielsweise fährt die First Lady, Jill Biden, mit der Schauspielerin Jennifer Garner nach West Virginia, um dort fürs Impfen zu werben.
Mit Sparbriefen motivieren
Der Bundesstaat ist ein klassisches Beispiel für die grassierende Impf-Müdigkeit: Im Dezember und Januar lag West Virginia in der Impf-Statistik noch ganz vorne. Mittlerweile werden Bürger zwischen 16 und 35 Jahren mit einem Sparbrief über 100 US-Dollar als Belohnung fürs Impfen geködert. In seinem Staat läge das Durchschnittsalter der Neu-Infizierten jetzt bei 34 Jahren, so der republikanische Gouverneur Jim Justice: "Wir haben unheimlich viele junge Leute, die positiv getestet werden. Und ich sage diesen jungen Leuten: Das sollte Euch Sorgen machen."
Auch in den USA infizieren sich die meisten Menschen momentan mit der britischen und damit ansteckenderen Variante des Virus. Ein Grund, warum viele Experten mittlerweile skeptisch sind, ob das Ziel "Herdenimmunität" überhaupt zu erreichen ist. Top-Virologe Anthony Fauci, der täglich landauf landab in Talkshows und Leserforen fürs Impfen wirbt, möchte jedenfalls nicht mehr darüber diskutieren. "Es gibt keine magische Zahl", erklärte er vor ein paar Tagen bei einer virtuellen Runde mit einer Lokalzeitung in South Carolina. "Wir wissen nur: Je mehr Leute sich impfen lassen, umso weniger Leute werden sich anstecken. Soviel ist mal sicher."
Bidens Etappenziel
Das nächste Etappenziel von US-Präsident Biden: Bis zum 4. Juli, dem Nationalfeiertag, sollen 70 Prozent aller erwachsenen Amerikaner wenigstens eine Impfung bekommen haben. Momentan sind es gut 57 Prozent.
Cameron aus Dekatur in Georgia hatte keine große Wahl: Seine Mutter schleppt den scheuen 14-jährigen Jungen am Morgen zum Impfen. Im Fernsehen habe sie gesehen, dass jetzt auch Jugendliche geimpft werden, erzählt sie aufgeregt in die Kamera. Sofort habe sie ihren Sohn aus dem Bett geholt und ins Impfzentrum gebracht. Keine zehn Minuten später ist Cameron geimpft und zeigt verlegen sein Pflaster. Und seine Mutter strahlt: "Show the world." Also: "Zeig es der Welt."
Impfkampagne in den USA: Ein Piks für viele - tagesschau.de
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